
Ein Lehrstück - Die Seite 3 im Oktober
Als ich neulich mit meinem Auto einmal den kürzesten Weg zur Arbeit nehmen wollte, war es wieder so weit: für die eigentlich nur 300 Meter von der Donnersbergerbrücke hinab zur Arnulfstraße habe ich sieben Minuten benötigt. Sieben Minuten, weil die Stadt München vor Jahren eine der beiden Fahrspuren zur Busspur erklärt hat, und ich wie alle anderen Autofahrer, die regelkonform gewartet haben, rechtswidrig von 17 Autos und mehreren LKWs auf der Busspur überholt worden bin.
Diese Busspur ist – jedenfalls gefühlt – Teil eines Megaprojekts, mit dem die Stadt München viele hundert Millionen, die eigentlich dem Ausbau des Mittleren Ringes hätten dienen sollen, zum Rückbau der Infrastruktur für den Autoverkehr in der Innenstadt zugunsten von „Fahrradautobahnen“ und Busspuren etc. verwendet. Was dieser Rückbau von Infrastruktur auf lange Sicht wohl volkswirtschaftlich bedeutet? Und warum man Autofahren erschweren muss, wo doch in Bälde nur noch abgasfrei gefahren wird …?
Aber mir geht es heute ja um die Busspur. Seit sie eingerichtet ist, herrscht auf dieser mehr als 1 km langen Brücke Chaos. Der Rückstau ist in den Hauptverkehrszeiten beträchtlich und geht weit über das hinaus, was ich mit meinem aktuellen Erlebnis hier beschreibe. Auch deshalb fahre ich seit geraumer Zeit nicht mehr auf dem Mittleren Ring zur Arbeit, sondern über viele Kilometer durch Wohngebiete bei Tempo 30 …
Diese Busspur ist gleichsam ein Lehrstück über unser Land. Eingerichtet aus ideologischen Gründen behindert das provozierte Chaos auf der Brücke regelmäßig selbst die Linienbusse. Sie verärgert die Autofahrer, weil sich erkennbar die Gesamtsituation durch diese zusätzliche Regelung verschlechtert hat, und mindestens genauso, weil die Einhaltung der Vorschrift nicht überprüft wird. Der gesunde Menschenverstand legt nahe, für die Busspur eine Kamera zu installieren, die aufzeichnet, wer da fährt. Das ist freilich nicht der Fall, weil so etwas in Deutschland zum einen der Datenschutz verhindert, zum anderen der Glaube, es genüge eine Vorschrift zu erlassen …
Das Ergebnis: die Ehrlichen sind wieder einmal die Dummen! Die Menschen, die bereit sind sich an die Regeln zu halten, sind ohnmächtig, sie sind verärgert, sie werden wütend. Wir wundern uns, welche Ergebnisse die drei Landtagswahlen in den letzten Wochen gebracht haben? Doch nicht wirklich!
Mit „Woher kommt die WUT?“ hat die ZEIT am 19. September aufgemacht. Die Erklärungen reichen dabei bis hin zu einer Sinnkrise vieler Menschen; eine wichtige Rolle aber spielt auch das Thema Kontrollverlust. Und da erleben wir in unserem Land, wie „eigentlich kontrollierbare Dinge aus dem Ruder laufen“ …
Zurück zur Rechtsetzung: wir erleben, wie Vorschriften von vornherein nicht zu überwachen sind und viele andere einen Aufwand erfordern, der nicht zu leisten ist. Das gilt insbesondere auch für das Thema Steuern und Finanzen. Wir erleben seit 25 Jahren, wie Europa nicht in der Lage oder willens ist, dem Umsatzsteuerbetrug Einhalt zu gebieten. Von weit mehr als 100 Milliarden ist hier die Rede, die den EU-Staaten dadurch verloren gehen! Jährlich!
Wir erleben, wie seit etwa 15 Jahren die Erstattung von Kapitalertragsteuern zum kriminellen Betätigungsfeld geworden ist. Dabei ist die Einhaltung der Gesetze entweder schon systemisch überhaupt nicht zu überwachen oder nur mit einem Aufwand, den Verwaltung und Justiz nicht in der Lage sind zu leisten.
Wir erleben, wie das Geschäft der Steueroasen weiterhin floriert und gleichzeitig dem Normalverdiener in Deutschland mit nominell sehr hohen Einkommensteuersätzen die Motivation genommen wird. Wir erleben, wie bargeldintensive Betriebe weiterhin Milliarden hinterziehen, weil man sich nicht in der Lage sieht, eine Registrierkassenpflicht einzuführen und diese Betriebe wirksam zu überprüfen. Wir erleben, wie unser Staat nicht in der Lage ist, solch kriminellen Machenschaften Herr zu werden und ihm Milliarden entgehen. Und wir erleben, wie gleichzeitig die verfassungsrechtliche Schuldenbremse in Frage gestellt wird, weil die Infrastruktur im Land verfällt.
Wir erleben jetzt auch noch, wie Berlin mit dem sogenannten Bürokratie-Entlastungsgesetz die gesetzlichen Aufbewahrungsfristen verkürzen will, damit aber den Kampf gegen Steuerund Finanzkriminalität noch aussichtsloser machen würde. Ach, ja, ich besitze auch eine MVV-Jahreskarte. Der ÖPNV aber ist überlastet, das Wagenmaterial alt und das U-Bahn-Netz seit rund 15 Jahren um keinen Meter gewachsen. In dieser Zeit hat die Einwohnerzahl Münchens aber um 200.000 zugenommen, von der Entwicklung im Umland und der Zunahme der Touristen ganz zu schweigen …
Eine BahnCard habe ich übrigens auch. Davon vielleicht ein andermal …