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Portrait Gerhard Wipijewski

Völlig unverständlich!

Seit vielen Monaten beschäftigen sich Politik und Medien damit, was alles in unserem Land nicht funktioniert. Egal ob Print-Medien, Radio oder Fernsehen, gleich ob Bericht, Kabarett oder Comedy: gesperrte und einstürzende Brücken, Planungsstaus, jahrelange Genehmigungsverfahren. Wenn davon die Rede ist, unser Staat sei nur noch eingeschränkt handlungsfähig, betrifft das auch sehr stark die Kommunen.

Es war der 25. Dezember 2024, als der Deutsche Städte- und Gemeindebund medial voll durchgedrungen ist mit der Klage über seine missliche Situation! Beispielsweise in der ARD-Tagesschau. Dort wird unter der Überschrift „Droht der Zusammenbruch der Verwaltung?“ gemeldet: „Warnung aus dem Städte- und Gemeindebund: Durch den Personalmangel könnte der öffentlichen Verwaltung der ‚schleichende Blackout‘ drohen, so der Geschäftsführer Berghegger. Rund 230.000 Kräfte würden bis 2030 fehlen … Bereits heute seien mehr als 100.000 Stellen in den Kommunen unbesetzt, weil kein Personal gefunden werde.“
Nanu, wie passt das zur Tarifrunde im TVöD, die wir in den letzten Monaten erlebt haben? Haben sich die gleichen Arbeitgeber nicht in zwei Verhandlungsrunden völlig einer Ergebnisfindung verweigert, ja jeder Verhandlung, jeden sinnvollen Gesprächs? Haben die gleichen Arbeitgeber nicht sogar tagelange Streiks an den deutschen Flughäfen in Kauf genommen, und noch nicht einmal in der dritten Verhandlungsrunde ein ernstzunehmendes Angebot unterbreitet, so dass eine Schlichtung einberufen werden musste? „So viel Verweigerung war nie“, kommentierte denn auch der dbb-Verhandlungsführer Volker Geyer die Situation.
Ich halte das Agieren der Arbeitgeber der Kommunen – mit dem Bund allein wäre es wohl besser gelaufen – für völlig unverständlich! Haushaltsengpässe hin oder her! Ohne Personal geht es eben nicht, und schon gar nicht, wenn demnächst Milliardeninvestitionen schnell und zielführend umzusetzen sind …
Unverständlich ist mir auch immer wieder, wie das Finanzministerium die Situation der Steuerverwaltung schönredet. Aktuelles Beispiel: Nachdem die Opposition aus SPD und Grünen im Haushaltsausschuss die Personalausstattung der Steuerverwaltung kritisiert hatte, rechtfertigte sich Staatssekretär Martin Schöffel damit, dass in der Steuerverwaltung seit 2009 einschließlich der 200 Stellen im aktuellen Doppelhaushalt 3.900 Stellen geschaffen worden seien. Diese Zahl macht natürlich erst einmal Eindruck auf die Landtagsabgeordneten. Aber sie ist reine Augenwischerei!
Zur Steuerverwaltung gehören neben den Finanzämtern das Landesamt für Steuern, die Landesfinanzschule und – je nach Auslegung – die beiden Finanzgerichte. Vergleicht man die Haushaltsstellen 2025 mit denen am 1.1.2009, stellt man eine Mehrung um 3.054,75 fest. Alles darüber hinaus ist bereits wieder Stellenkürzungen oder Umbuchungen in andere Teile des Ressorts etc. zum Opfer gefallen. Von den gut 3.000 Stellen sind 1.435 Anwärterstellen, die dazu gedient haben, ausbilden zu können, um den Personalstand wenigstens zu halten. Denn in den Finanzämtern ist die Ist-Besetzung vom 1.1.2009 bis zum 1.1.2025 gerade einmal um 201 MAK auf 15.103 MAK gestiegen. Bei den Finanzämtern ist die Zahl der Haushaltsstellen für Beamte und Arbeitnehmer in diesen 16 Jahren um 901,29 auf 16.387,33 gestiegen. Mit 211 Stellen schlägt dabei übrigens das Scan-Zentrum zu Buche, das auch für andere Bundesländer arbeitet, für das LfF, und nicht zuletzt Personalakten scannt. Ähnlich verhält es sich bei der IT des LfSt bei einem Plus von 618 Beamten und Arbeitnehmern. Das LfSt ist der größte Akteur im Konsens-Verbund und programmiert für alle 16 Bundesländer! – Übrigens refinanziert via Königsteiner Schlüssel…
Kein Verständnis habe ich auch für die Argumentation der Regierungsfraktionen hinsichtlich des für die kommenden 5 Jahre geplanten Abbaus von 5.000 Haushaltsstellen. Gerade einmal 1,5 Prozent aller Haushaltsstellen seien das, so der Berichterstatter im Haushaltsausschuss, MdL Maximilian Böltl. Die Rechnung hat nur einen entscheidenden Haken: die Staatsregierung will eben nicht durchgängig 1,5 Prozent kürzen, sondern all die Bereiche außenvor lassen, die in den letzten Jahrzehnten den größten Aufwuchs hatten. Beim Rest ginge es damit nicht um 1,5, sondern um 8 Prozent!
Wenig Verständnis auch für die Änderung der Auswahl- und Beförderungsgrundsätze hinsichtlich der Frage, wer bei der Besetzung eines Dienstpostens zum Zug kommt, wenn sich Beamtinnen und Beamte aus unterschiedlichen Statusämtern bewerben. Die künftig entscheidende Plus-1-Regelung wird jedes Bemühen um eine leistungsgerechte Beurteilungspraxis extrem erschweren. Die Finanzverwaltung lebt aber seit Jahrzehnten davon, dass sich ihre Beschäftigten für ihr berufliches Fortkommen „zerreißen“. Wenn sich herausstellt, dass sich Leistung nicht mehr lohnt, wird das Ganze ganz schnell gegen die Wand fahren!