
Der 1. Juli 2022
Die Seite 3 Mai 2022
Nur noch wenige Wochen bis zum 1. Juli! Dann gilt: Innerhalb von vier Monaten müssen bis zum 31. Oktober 2022 Grundsteuererklärungen nach neuem bayerischem Recht abgegeben werden – für 6,3 Millionen wirtschaftliche Einheiten! Dann wird sich zeigen, inwieweit die Grundstückseigentümer das Thema Grundsteuerreform und die damit einhergehende Erklärungspflicht wirklich verinnerlicht haben. Die Steuerverwaltung jedenfalls hat in den vergangenen Wochen nichts unversucht gelassen, um das Thema der Bevölkerung nahe zu bringen. – Noch sehr viel beachtlicher aber scheint mir, welche Anstrengungen in Organisation und Programmierung auf allen Ebenen der Steuerverwaltung seit Monaten erbracht werden. Ob das alles ausreicht, um diese Reform zu stemmen, um zwischen dem 1. Juli 2022 und dem 31.12.2023 für diese 6,3 Millionen wirtschaftliche Einheiten Grundsteuermessbeträge nach neuem Recht festzustellen, das kann man heute nur hoffen. Denn die Bedingungen dafür sind alles andere als optimal!
Die letzte „Hauptfeststellung“ vor 58 Jahren hatte die Finanzämter zehn Jahre in Anspruch genommen. Jetzt hat man der Steuerverwaltung für das Epochenprojekt „Bayerische Grundsteuer“ weder das Personal noch die Zeit gegeben, um sich auf diese Herausforderung konzentrieren zu können. Angesichts mannigfaltiger Zusatzbelastungen zur wirtschaftlichen Bewältigung der Corona-Pandemie sind die Rahmenbedingungen sogar äußerst ungünstig!
So fehlt aktuell an manchen Dienststellen jeder Fünfte der im Zuteilungssoll ausgewiesenen Beschäftigten der 2. QE – also der Beschäftigten, die die Hauptlast bei der Umsetzung der Reform zu tragen haben. An Personal fehlt es auch deshalb, weil der Bayerische Landtag den Finanzämtern lediglich 400 zusätzliche Beamtenstellen bewilligt hat, anstatt der realistischer Weise für notwendig erachteten mehr als tausend. Dank langjähriger Bemühungen lag die Ist-Besetzung der Finanzämter am 1.1.2022 zwar um rund 300 MAK höher als ein Jahr zuvor. Damit steht ein Personal-Plus von 758 gegenüber den vom Bayerischen Obersten Rechnungshof wiederholt monierten 14.554 MAK zum 1.1.2011. Diesen fünf Prozent Personal-Plus in elf Jahren steht freilich eine unbestreitbare Fallzahlensteigerung im gleichen Zeitraum von mehr als 20 Prozent gegenüber – und eine fortbestehende Unterbesetzung!
Und dass weiterhin mehr als hundert Kolleginnen und Kollegen bei den Gesundheitsämtern im Einsatz sind, ist angesichts der Herausforderung, die die Grundsteuerreform für die Steuerverwaltung bedeutet, ganz und gar nicht nachvollziehbar! Diese Hilfeleistung muss zum 31. August 2022 endgültig beendet werden!
Man hat der Steuerverwaltung aber auch nicht die Zeit gegeben, die möglich und sinnvoll gewesen wäre! Als nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 2018 zwischen allen Akteuren in Bund und Ländern am 15. November 2019 eine Neuregelung zustande gekommen war, lag ein bayerischer Gesetzentwurf längst in der Schublade. Durch Kommunalwahl und Abstimmungsaufwand innerhalb der Koalitionsfraktionen verging freilich mehr als ein Jahr, bis die Bayerische Staatregierung am 6. Dezember 2020 einen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Weitere 12 Monate später wurde das Bayerische Grundsteuergesetz am 10. Dezember 2021 veröffentlicht. Erst jetzt konnte die Steuerverwaltung die finalen Arbeiten beginnen! Deshalb werden am 1. Juli IT-Verfahren ohne jede Pilotierung an den Start gehen – und Vordrucke auf den letzten Drücker den Bürgern zur Verfügung stehen!
Es ist aber auch kaum verständlich, dass man den Kommunen das ganze Jahr 2024 einräumt, um dann auf der Basis der dann vollständig von den Finanzämtern gelieferten Grundsteuermessbeträgen einen Hebesatz zu beschließen und zum 1.1.2025 Grundsteuerbescheide zu erlassen. Diese große Zeitspanne wäre vielleicht berechtigt, wenn es tatsächlich zur sogenannten „Zonierung“ gekommen wäre. So aber ist es ein Luxus für die Kommunen, die den Bearbeitungszeitraum für die Finanzämter völlig unnötig beschneidet!
Aber auch die Zusammenarbeit mit den Kommunen gestaltet sich nicht einfach. So hat sich wenige Wochen, bevor ab 1. Juli alle Grundsteuermessbeträge nur noch digital an die Kommunen gemeldet werden (können), nur ein kleiner Teil davon beim erforderlichen Verfahren ELSTER Transfer registriert.
Die Menschen im Land dürften als einfaches Bayerisches Grundsteuergesetz auch etwas anderes erwartet haben als das, was sie jetzt bekommen: zum Beispiel allein 40 Seiten Anleitungen zum Ausfüllen der Steuererklärung! Zu allem Überfluss werden die Grundstückseigentümer auch noch durch den parallel stattfindenden Zensus 2022 verwirrt …