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Zukunft? Welche Zukunft? - Die Seite 3 im April 2024

NO FUTURE war in den 80er Jahren ein weit verbreiteter Slogan. Angesichts der in Bayern wie deutschlandweit geburtenstärksten Jahrgänge 1961 bis 1966 herrschte ja auch ein ordentliches Gedränge auf dem Arbeitsmarkt, so dass die individuelle Zukunft unklar schien – von der Atombombe, die auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges über uns schwebte, ganz zu schweigen.

Vier Jahrzehnte später erleben wir anscheinend eine völlig andere Situation: ein ganz realer Krieg im Osten Europas und ein sich seit Jahren verstärkender Mangel an Arbeitskräften im ganzen Land. Dazu große wirtschaftliche Schwierigkeiten, wenngleich noch nicht einmal Einigkeit darüber herrscht, wie sehr man das thematisieren darf, ohne das Land vollends in die Krise zu reden. „Crisis? What Crisis?“ LP-Titel und Cover von Supertramp waren denn auch meine Inspiration … Ich bin deshalb froh, dass sich zuletzt wenigstens in unserem Ressort die Erkenntnis durchgesetzt hat, die Zukunft aktiv angehen zu müssen.

Der Titelbeitrag schildert, welche Weichenstellungen für eine „Arbeitswelt der Zukunft“ in den Finanzämtern angedacht sind. Damit aber auch eine wirklich „schöne neue Welt“ entstehen kann, braucht es nach meiner festen Überzeugung zunächst und vor allem auch eine Konsolidierung der IT! Denn wenn die Beschäftigten einen viel zu großen Teil ihrer Zeit damit verbringen, die Defizite der Technik auszugleichen, helfen gute Kommunikationsmöglichkeiten und schöne Büros nur bedingt weiter. Aber vielleicht weist der Titel ja gerade deshalb auch auf Huxleys Roman …

Die weit größere Herausforderung für eine erfolgreiche Zukunft der Finanzverwaltung in Bayern aber dürfte im Personalbedarf liegen. Wir haben zuletzt wiederholt deutlich gemacht, wie die Zahl der Beschäftigten bei Weitem nicht mit der Zunahme der Arbeit schrittgehalten hat. Nach zwei Jahren, in denen in der Steuerverwaltung mehrere hundert Ausbildungsund Studienplätze nicht besetzt werden konnten, droht sich dieses Problem angesichts des Wettbewerbs um geeignete Schulabgänger aber zu verstetigen.

Ich begrüße deshalb die verstärkten Werbeanstrengungen der Verwaltung, bin aber davon überzeugt, dass sie allein nicht ausreichen werden. Letztlich geht es doch darum, ob unser Beruf den jungen Leuten attraktiv erscheint. Attraktiv, dass sie zu uns kommen, und so attraktiv, dass sie auch bleiben. Aber was sollen sie von einem Berufsfeld denken, über das sie tagein tagaus medial Negatives hören: Bürokratie lähmt das Land, Bürokratie muss abgebaut werden …

Und ist unser Beruf, ist sein Image „sexy“ genug? Wann hat in den vergangenen Jahren einmal jemand eine Lanze gebrochen fürs Steuerzahlen, für die Notwendigkeit der Staatsfinanzen als Grundlage unseres Staates?

Und wie verlockend sind die Karriereaussichten? Wenn sich jemand wirklich informiert, sind A6, A9 und A13 dann interessant genug? Ich denke nicht angesichts der Entwicklungen und Alternativen am Ausbildungs- und Studienmarkt. Die HföD feiert im Mai ihr 50-jähriges Bestehen. 1974 war sie eine der ersten Hochschulen, die duale Studiengänge angeboten hat. Heute gibt es eine dreistellige Zahl an Hochschulen mit solchen Angeboten. Wir müssen uns bewusst sein, dass die jungen Leute sich Studiengang und Arbeitsgeber aussuchen können … Wir müssen uns dem stellen!

Wo das Land über die 35-Stunden-Woche redet, wird bei uns darüber nachgedacht, ob man nicht die Teilzeitregelungen einschränken und den faktischen Ruhestandseintritt hinausschieben soll, um mehr Arbeitskraft zu gewinnen. Ich kann davor nur warnen! Wer die Zeit vor der Ausweitung der Teilzeitmöglichkeiten erlebt hat, der weiß, wie sehr der Dienstherr dadurch Arbeitskraft gewonnen hat. Den Status quo jetzt als sicher anzusehen und zu glauben, mit einer Einschränkung der Teilzeit könne man die Erhöhung von Arbeitszeitanteilen erzwingen, diese Rechnung wird nicht aufgehen! Die Leute bleiben nicht aus Jux und Tollerei daheim, sondern weil es die Betreuung der Kinder und die Familie erfordern!

Überlegungen, den Weg in den Ruhestand zu erschweren, halte ich ebenfalls für wenig zielführend. Ich will auch hier an die 90er Jahre erinnern, als die Regeln der Beamtenversorgung verschärft worden waren. Viele der versorgungsnahen Beschäftigten waren damals so frustriert, dass sie kaum mehr als „Dienst nach Vorschrift“ getan haben. Und nun würde eine solche Maßnahme Beschäftigte treffen, denen man dereinst ohne „Lohnausgleich“ die Wochenarbeitszeit erst von 38,5 auf 40 und dann über 8 Jahre auf 42 Stunden erhöht hatte. Sie haben dadurch rund ein Jahr mehr gearbeitet! Und: unsere Leute sind „fertig“, wenn sie auf den Ruhestand zugehen. Sie gehören nicht zu denen, die sich Gedanken über spätere „Hinzuverdienstgrenzen“ machen …

So oder so wird uns das Herumdoktern nicht entscheidend voranbringen. Was einzig hilft sind eine stabile IT unter Einsatz von Elementen der KI, vor allem aber IT-kompatible Gesetze und ein entsprechender Gesetzesvollzug.