
Arbeitszeit, Effizienz und Altersrente – Die Seite 3 im Juni 2025
Mit der Aussage in seiner ersten Regierungserklärung, wir müssten in unserem Land „wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten“, löste Bundeskanzler Merz eine zwei Wochen währende mediale Diskussion aus. Dabei ging es um die angebliche Faulheit der Deutschen, um die Vier- Tage-Woche, Work-Life-Balance, Arbeitszeitvolumina und ganz viel Teilzeitarbeit.
Beinahe zeitgleich klopfte sich der frühere Bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser (1998-2007) in der Bayerischen Staatszeitung auf die Schultern ob seiner gloriosen Bilanz im Allgemeinen und der Einführung der 42-Stunden- Woche im Besonderen. Was er nicht gesagt hat: der damalige Versuch über eine weitere Arbeitszeiterhöhung im öffentlichen Dienst eine Arbeitszeiterhöhung auch in der Privatwirtschaft zu erreichen, ist kläglich gescheitert. Dafür waren dann Stimmung und Leistungsbereitschaft im öffentlichen Dienst über Jahre miserabel und die Staatsregierung sowie die sie damals mit einer 2/3-Mehrheit tragende Partei haben viel Rückhalt im öffentlichen Dienst verloren. Und die 35-Stunden-Woche gibt es in Teilen der Wirtschaft weiterhin, ja mehr als damals …
Wenn die Bundesregierung nun Überstunden steuerlich extrem begünstigen will, machte das dann Sinn, wenn eine dringend erforderliche Mehrarbeit bisher an der mangelnden Bereitschaft der Belegschaft gescheitert wäre! Bei 1,2 Mrd. Überstunden im Jahr deute ich die Situation aber etwas anders. Und in der Finanzverwaltung sind sie ja eh nicht vorgesehen! Hier gilt: die Arbeit ist zu erledigen, egal wie – und egal, um wieviel sie gegenüber dem Vorjahr zugenommen hat! Mehr Zeit gibt es dafür nicht. Und da, wo Überstunden erlaubt sind, werden sie auch gemacht; siehe Polizei, IT oder bei der Grundsteuerreform.
Sooft in der Regierungserklärung des Kanzlers auch von Bürokratieabbau die Rede ist, lässt die geplante Überstundenregelung aber schon wieder ein neues Bürokratiemonster erwarten! Der Gestaltungs- und Betrugsanreiz ist jedenfalls gewaltig – Mitnahmeeffekte und Steuermindereinnahmen auch.
Und muss ich wirklich erklären, dass und warum eine hohe Teilzeitquote Ausdruck einer hoch entwickelten (Erwerbs-) Gesellschaft ist? Vor 50 Jahren war die durchschnittliche Arbeitszeit natürlich wesentlich höher – weil die Wochenarbeitszeit außerhalb des öffentlichen Dienstes (und nur da!) höher und ein Großteil der Frauen überhaupt nicht erwerbstätig war! Wer meint, dass sich deren Arbeitszeitanteile doch steigern lassen müssten, sollte sich auch überlegen, wie die Schulen die immer größeren Defizite in der elterlichen Erziehung hinbekommen sollen. Überhaupt halte ich einen Haushalt, in dem beide Partner in Vollzeit einer Erwerbsarbeit nachgehen, nicht zwingend für die ideale Lösung. Ich habe beim Gewerkschaftstag vor einem Jahr in Anwesenheit des Ministerpräsidenten auf den Wert von Erziehung, Pflege und nicht zuletzt auch ehrenamtlichem Engagement in diesem Zusammenhang verwiesen.
Dass der Kanzler Effizienzdefizite in der Arbeitswelt ausgemacht hat, wundert mich, bedeutet das ja nichts anderes, als dass in der (kapitalistischen) deutschen Wirtschaft mit zu viel Personal gearbeitet wird oder/und zu wenig produziert wird … Für die Bayerische Finanzverwaltung weise ich diesen Vorwurf jedenfalls entschieden zurück! In den Finanzämtern werden heute bei nahezu identischem Personalstand rund 40 % Steuerfälle im Jahr mehr bearbeitet als vor 15 Jahren. Ganz nebenbei wird auch noch das Jahrhundertprojekt Grundsteuerreform geschultert. Im Landesamt für Finanzen haben die Personalmehrungen im öffentlichen Dienst auch für eine Zunahme der Fallzahlen um über 30 Prozent gesorgt …
Das zweite große Medienthema der letzten Wochen war die Diskussion um eine Rentenreform. Sie wurde von der neuen Arbeitsministerin Bärbel Bas durch die Forderung nach Einbeziehung der Beamtenschaft in die gesetzliche Rentenversicherung – im Widerspruch zum Koalitionsvertrag – erfolgreich initiiert. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf unsere Ausführungen in der bfg-Zeitung 03/2025 und unseren Facebook-Post „Herr Bundeskanzler, rufen Sie Frau Bas zur Ordnung!“. An dieser Diskussion ärgert mich regelmäßig besonders, dass der Eindruck erweckt wird, in der gesetzlichen Altersrente gebe es ständig Verschlechterungen und die Rentenerhöhungen hielten mit den Anpassungen der Beamtenversorgung nicht Schritt. Beides ist nicht der Fall! Seit Jahrzehnten wird jede Verschlechterung im Rentenbereich auf die Beamtenversorgung systemkonform übertragen – und die prozentualen Anpassungen erfolgen zwar nach unterschiedlichen Gesichtspunkten, in den vergangenen 10 Jahren hat sich die gesetzliche Altersrente aber nicht schlechter entwickelt als die Beamtenversorgung!