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Portrait Gerhard Wipijewski

Was für Tage! – Die Seite 3 im Mai 2025

Wir sind spät dran mit dieser Ausgabe unserer bfg-Zeitung. Wir wollten abwarten, was unser Finanzminister am 5. Mai bei der Amtsleitertagung der Steuerverwaltung über eine Strukturreform der Finanzämter sagen würde. Er hat dabei tatsächlich den Startschuss für eine Reform gegeben, an deren Ende die Landkarte der Steuerverwaltung in Bayern in einigen Jahren gründlich verändert sein könnte.

Neben dem Finanzamt München gäbe es dann vielleicht nur noch etwa 20 weitere Regional-Finanzämter, die aus den heutigen Finanzämtern, ihren Außenstellen und Bearbeitungsstellen unter Erhalt der Standorte bestehen würden. – Soweit jedenfalls die Grundidee der Verwaltung. Ob es so kommt, wird sich in den nächsten Monaten in Mittelfranken zeigen, wo zunächst noch erarbeitet werden muss, wie dort die Zuschnitte der neuen Finanzamtsbezirke aussehen sollen. Die bfg hat sich mit ihren Gedanken und Vorstellungen, mit ihren Bedenken und Warnungen, mit Anforderungen und Zielen stark eingebracht. Über allem muss ein Mehrwert für die Beschäftigten stehen. Und dafür braucht es vor allem anderen eine funktionierende IT. Ob das Ganze dann wirklich ein Schritt nach vorne wird, hängt letztlich von der konkreten Umsetzung ab.

Auch wenn hierdurch die Finanzämterstruktur so stark verändert würde wie seit der Gebietsreform 1972 nicht mehr, gab es in den letzten Tagen doch Ereignisse in Deutschland und der Welt, die das noch in den Schatten stellen …

Inzwischen ist es Freitagabend geworden, der 9. Mai, in Russland der wichtigste Tag des Jahres, weil an ihm der Sieg über Nazi-Deutschland im „Großen Vaterländischen Krieg“ gefeiert wird. Heute zum 80. Mal – und von Kriegsverbrecher Putin mit einer noch viel größeren Militärparade als zuvor. Die eigentliche Kapitulation des Deutschen Reiches im Zweiten Weltkrieg erfolgte freilich bereits zum 8. Mai 1945 und wird seither im Westen am 8. Mai gefeiert.

Dass die 80. Wiederkehr dieses Tages heuer als etwas Besonderes empfunden wird, liegt zum einen an der Erinnerung an die epochale Rede des damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker auf der Hälfte dieser Strecke am 8. Mai 1985 – zum anderen an der heutigen Situation unserer Welt, die starke Parallelen aufweist zu Entwicklungen, die wesentlich zum Erstarken der NSDAP in Deutschland und zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs beigetragen haben. Ich erinnere an die amerikanische Zollpolitik damals, die ganz erheblich zur Weltwirtschaftskrise der 20er Jahre und damit zur Verarmung großer Teile der deutschen Bevölkerung geführt hat. Ich erinnere an die Verharmlosung Hitlers durch viele Europäer damals und Putins heute. Letzterer strebt beinahe so unverhohlen die Vorherrschaft über Europa an wie Hitler damals. Und ich erinnere wie Richard von Weizsäcker vor 40 Jahren daran, dass es vor allem die Schwäche der Demokratie war, die die Naziherrschaft ermöglicht hat.

Damit bin ich bei der AfD, die heute vor einer Woche vom Verfassungsschutz nach einer jahrelangen Prüfung als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wurde. Grund für die Einstufung sei eine „die Menschenwürde missachtende, extremistische Prägung der Gesamtpartei“. Damit stellt sich jetzt auch die Frage, wie der Dienstherr mit Mitgliedern der Partei umgehen will. Für mich ist klar, dass Mitglieder einer Partei, die die freiheitlich demokratische Grundordnung ablehnt, schwerlich als Beamtinnen und Beamte diesen Staat vertreten können! Die vorübergehende Aussetzung der Einstufung mit einer sogenannten Stillhaltezusage sollte genutzt werden, um diese Frage zu klären.

Welch eine Fügung, dass an diesem 8. Mai, der Europa und der Welt vor 80 Jahren die Befreiung vom Nationalsozialismus gebracht hat, über der Sixtinischen Kapelle der weiße Rauch aufgestiegen ist und die Welt einen neuen Papst bekommen hat! Ich stimme mit dieser Wortwahl ausdrücklich der Einschätzung Marc Beises in seinem heutigen Kommentar „Chapeau!“ in der Süddeutschen Zeitung zu, dass die Bedeutung der Wahl weit über die katholische Welt hinausreicht! – Und das nicht nur wegen der kritischen Haltung des Amerikaners gegenüber „seinem“ Präsidenten Donald Trump.

Zwei Tage zuvor blickte Deutschland ungläubig auf die Wahl des Bundeskanzlers. Denn zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik wurde ein Bundeskanzler erst im zweiten Wahlgang gewählt. Mindestens 18 Abgeordnete der Regierungsfraktionen hatten ihrem Kandidaten Friedrich Merz im ersten Wahlgang ihre Stimme vorenthalten. In einer Situation, in der die Demokratie in unserem Land mit dem Rücken zur Wand steht, haben diese Leute nichts Besseres zu tun als ihren Rachegelüsten nachzugeben. Völlig unverantwortlich! Zum Glück zeigten B90/Die Grünen und Die Linke mehr Verantwortungsbewusstsein, indem sie einem zweiten Wahlgang am selben Tag zustimmten und so eine Staatskrise abzuwenden halfen.