
Freiheit!
Am Abend nach der Inszenierung von Washington, als USPräsident Donald Trump vor laufenden Kameras mit der Ukraine und der freien Welt gebrochen hat, war ich bei einem Konzert des BRSO in der Isarphilharmonie. Da entdeckte ich auf einer Galerie des Foyers dieses Plakat der Münchner Volkshochschule: „Freiheit fällt erst dann auf, wenn sie weg ist.“
Wenn Sie diese Ausgabe der bfg-Zeitung in Händen halten, ist es ziemlich genau 500 Jahre her, dass in meiner Heimatstadt Memmingen die „Zwölf Artikel“ verfasst wurden, die als die erste niedergeschriebene Forderung nach Menschenund Freiheitsrechten auf dem europäischen Festland gelten. Im März 1525 trafen sich dazu Abordnungen der oberschwäbischen Bauerngruppen zu einer quasi verfassungsgebenden Versammlung in der von der Reformation geprägten Freien Reichsstadt. Sie begehrten auf gegen verkommene Adelsherrschaft, gegen die Maßlosigkeit der Feudalherren, gegen Leibeigenschaft, überhöhte Steuern und Abgaben – und bezogen sich mit ihren Freiheitsbestrebungen auf das Evangelium. Neben der Freiheit ging es dem „gemeinen Mann“ um die Teilhabe am wirtschaftlichen Erfolg des blühenden Handels in der Region und um Recht und Gerechtigkeit.
Innerhalb zweier Monate wurden 25.000 Exemplare der „Zwölf Artikel“ gedruckt – eine bis dahin nie dagewesene Auflage für einen zeitgenössischen Text. Damit verbreitete sich das Thema im ganzen Land und wurde zu einer Gefahr für die Herrschenden, die die Bauern zu Reichsfeinden und Friedbrechern erklärten und die sich bildenden Bauernheere in mehreren Schlachten niedermetzelten. Man geht von 70.000 Toten in der später missverständlich „Bauernkrieg“ genannten Auseinandersetzung aus.
Auch wenn der „Revolution des Gemeinen Mannes“ damit zunächst kein Erfolg beschieden war, war ein Anfang gemacht. Es kam vielerorts zu zaghaften Veränderungen in der kommunalen politischen Repräsentation und irgendwie finden sich später die Gedanken auch in den revolutionären Bewegungen des 18. und 19. Jahrhunderts. Letztlich führte die zivilisatorische Entwicklung bis zu unserem Grundgesetz. Aber heute?
Bei unserem Gewerkschaftstag im vergangenen Juni hat der frühere Verfassungsrichter Prof. Udo Di Fabio in seiner Rede daran erinnert, wie wir alle nach dem Ende des Kalten Krieges Anfang der 90er Jahre davon ausgegangen sind, wir träten jetzt in eine bessere Welt ein.
„Wer sollte denn noch gegen universelle Menschenrechte, gegen Freiheit und Rechtsgleichheit sein? Wer sollte gegen Rechtstaatlichkeit und Demokratie noch Einwände haben, nachdem das Gewaltsystem des Ostblocks implodiert war – implodiert nicht zuletzt auch, weil es nicht in der Lage war die Menschen mit den banalsten Gütern des täglichen Lebens zu versorgen.
Niemand konnte sich damals vorstellen, dass dieses siegreiche, liberale System mit seiner universellen Idee der Würde des Menschen … Jahrzehnte später so unter Druck gerät!“ Di Fabio sprach weiter davon, dass der Krieg als Mittel der Politik zurück sei. Er werde geführt und angedroht! „Die äußere Bedrohung der Demokratien ähnelt aktuell in vielerlei Hinsicht dem, was wir in den 30er Jahren erlebt haben!“
Dabei sei die Bedrohung von außen das eine, so Di Fabio. Die Bedrohung von innen sei aber das viel gefährlichere Momentum unserer Zeit! Dabei beginne der Verlust an Vertrauen in die Wirksamkeit des Staates die Demokratie zu untergraben!
„Was sich heute an Missstimmungen zum Ausdruck bringt, ist ein tiefsitzender Vertrauensverlust“, so Di Fabio, „und ein Verlust an Einsicht in die Spielregeln der Demokratie …“ Betrachtet man die Ergebnisse der Bundestagswahl, gewinnen Di Fabios Worte eine beängstigende Bedeutung. Denn nur um Haaresbreite wurde die Unregierbarkeit des Landes ähnlich dem Ende der Weimarer Republik verhindert. Besorgniserregend, dass von den unter 25-Jährigen deutlich über 50 % AFD, LINKE und BSW gewählt haben, von den unter 35-Jährigen auch beinahe noch jeder zweite.
Diese Entwicklung wird nur gestoppt werden, wenn eine Regierung zustande kommt, die den Menschen durch ihr Handeln wieder das Gefühl vermittelt, dass der Staat stark, effizient und handlungsfähig ist – und es dabei gerecht zugeht! Eine starke Finanzverwaltung bildet in vielerlei Hinsicht die Grundlage für einen handlungsfähigen Staat!