
Bürokratieabbau! - Die Seite 3 im Januar / Februar 2025
Deutschland steckt in der Krise. – Diesen Satz unterschreiben irgendwie alle. Und sehr viele haben „die Bürokratie“ als die Ursache allen Übels ausgemacht. Jedenfalls ist „die Bürokratie“ seit Monaten in aller Munde und der Bürokratieabbau eine Forderung in Politik und Medien, hinter der sich die Bevölkerung offenbar versammeln kann.
„Weniger Bürokratie ist ein Versprechen, das Politiker gerne machen, weil sie glauben, dass es die Bürger hören wollen,“ so hat die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung im April 2024 zu diesem Phänomen geschrieben. In derselben Zeitung erklärt der ehemalige Bundesfinanzminister Christian Lindner am 2. Februar 2025 auf die Frage, mit wieviel weniger Beamten denn Deutschland auch noch funktionieren würde, „mittelfristig 20 Prozent in der Verwaltung …“ „Die Linke“ ausgenommen, findet sich denn auch in den Wahlprogrammen aller Parteien, die sich Hoffnungen auf einen Einzug in den Bundestag machen, der „Bürokratieabbau“ in irgendeiner Form. Überzeugung oder nur Taktik, weil es ja gut anzukommen scheint beim Wahlvolk?
Denn Donald Trump und sein Kumpel Elon Musk, aber auch der argentinische Kettensägen-Präsident Milei machen es ja vor – jedenfalls, dass man damit Wahlen gewinnen kann. Aber sollten uns nicht gerade diese Namen nachdenklich stimmen? Nach Max Weber ist das bürokratische Prinzip die rationalste Form der Herrschaftsausübung. Bürokratie ist nichts anderes als die Umsetzung der von Parlamenten und Regierungen beschlossenen Gesetze und Verordnungen. Bürokratie ist damit aber auch das Ergebnis von demokratischen Mehrheitsentscheidungen – und das Gegenteil von Willkür und Chaos! Dass Bürokratie den Trumps dieser Welt ein Dorn im Auge ist und der – wirtschaftlichen? – Weltherrschaft der Musks im Wege steht, überrascht damit nicht.
Aber was läuft falsch in unserem Land, dass die Klage über die Bürokratie so verfängt? Hat etwa die Zahl der „Bürokraten“ so stark zugenommen, dass sich die Menschen und die Unternehmen nach einem Bürokratieabbau sehnen? Oder ist es die Regelungsfülle, die das Land lähmt? – Ist es womöglich die bloße Menge an Vorschriften, die Bürger und Unternehmen verzweifeln lässt?
Ich war heute (7. Februar) bei einer Veranstaltung der vbw zum Thema „Steuerpolitik für Wachstum und Chancen“. Dabei führte Professor Wolfgang Schön, der Direktor des Max-Planck-Instituts für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen ins Thema ein. Er referierte in Anlehnung an den Abschlussbericht der von ihm selbst im Auftrag des BMF geleiteten Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmenssteuer“. Dort heißt es zusammenfassend: „Der Bericht der Kommission ist daher wesentlich geprägt von der Zielsetzung, deutsche Unternehmen von unangemessenen Befolgungskosten (Compliance Costs) zu befreien und Wohlfahrtsverluste zu reduzieren, die durch verzerrende und behindernde Steuervorschriften entstehen. Der Wunsch nach einer quantitativen Senkung der Unternehmenssteuerlast wird von der Kommission unterstützt; er steht hingegen nicht im Zentrum der Arbeiten und des Berichts der Kommission.“ – Es wird niemanden überraschen, dass sich die Politiker aus Bund und Land in der anschließenden Podiumsdiskussion gegenseitig mit Steuersenkungsideen überboten haben, aber nicht mit Ideen zum Abbau von Vorschriften und Aufwand …
So aber wie diese Regelungsfülle die Wirtschaft lähmt, lähmt sie auch die Öffentlichen Verwaltungen, weil diese kaum noch in der Lage sind, ihre Aufgaben zeitnah und in der gewünschten Qualität zu erbringen. Dabei stellen effektive Verwaltungen doch eine wesentliche Grundlage für das Funktionieren unseres Staates und unserer Gesellschaft dar!
Wenn jetzt im Entwurf des Nachtragshaushalts der Art. 6b des Haushaltsgesetzes den Abbau von 5.000 Stellen bis 2030 postuliert, und dabei Polizei, Justiz und Bildung ausgenommen werden sollen, wie dies unser Ministerpräsident im vergangenen Jahr angekündigt hatte, dann ignoriert das die Probleme und verschärft sie noch! Denn gut 90 Prozent der zwischen 2010 und 2025 48.000 neu geschaffenen Stellen im Staatshaushalt entfallen auf die drei Bereiche, die ausgenommen werden sollen! Ich darf dazu auf die Tabelle in der bfg-Zeitung März 2024 verweisen. – Wie sollen die anderen Verwaltungen, auf die in 16 Jahren bei einer Bevölkerungszunahme von 1 Million nur 4.000 neue Stellen entfallen, nun 5.000 Stellen abbauen? Wie soll eine Finanzverwaltung, die in Arbeit ersäuft und noch nicht einmal die vom Rechnungshof vor 15 Jahren geforderte Personalausstattung erreicht hat, hier einen Beitrag leisten können?
Bürokratieabbau muss den Abbau und die Vereinfachung von Vorschriften bedeuten – und damit den Abbau von Aufgaben für die Verwaltung! Denn wir haben viel zu viele Aufgaben und dafür zu wenig Personal!