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„Waffengleichheit sieht anders aus!“

Seite 3 November 2017

Mit den „Paradise Papers“ hat die Welt nicht nur einen neuen Steuerskandal. Vielmehr zeigen die der Süddeutschen Zeitung zugespielten Unterlagen, wie Superreiche und große internationale Konzerne Steueroasen nutzen, um ihre Geschäfte abzuwickeln – legal und illegal. Es geht um Steuervermeidung in geradezu perfider Weise, um Steuerhinterziehung, Geldwäsche und um die Verschleierung von Einnahmen, Vermögen und Vermögensströmen.

Die über Monate vom „International Consortium of Investigative Journalists“ (ICIJ) ausgewerteten mehr als 13 Millionen Dokumente zeigen aber in erschreckender Weise wieder einmal, dass es da eine Parallelwelt gibt, die zu nichts anderem dient, als den Staaten dieser Welt die Steuern vorzuenthalten. Das veranlasst DIEZEIT zu fragen, wer denn eigentlich die Macht habe, „der Staat oder die Superreichen?“
Der Großteil der Unterlagen stammt von der Anwaltskanzlei Appleby, die von der zu Großbritannien gehörenden Isle of Man aus agiert. Im Zuge der Auswertung will die Süddeutsche Zeitung auch auf mehrere Dutzend Trusts gestoßen sein, die im Steuerstrafverfahren gegen den – inzwischen verstorbenen – Pharmamilliardär Curt Engelhorn wegen seiner Schenkungen an seine damals in Bayern lebenden Töchter nicht bekannt gewesen sein sollen.
Vor dem Hintergrund des Falles Engelhorns habe ich im Vorfeld der Veröffentlich der „Paradise Papers“ dem NDR-Reporter Christoph Lütgert ein längeres Fernsehinterview gegeben, aus dem einige Ausschnitte in der ARD-Reportage „Paradise Papers – Zocker, Trickser, Milliardäre“ zu sehen waren. Dabei habe ich auch zum Ausdruck gebracht, dass Deutschland seine politische Macht sicherlich nicht immer und bei jedem Thema in die Waagschale werfen könne, ich es aber für dringend erforderlich halte, dass dies bei der Frage der internationalen Zusammenarbeit in der Steuerrechtsetzung und beim Steuerrechtsvollzug geschieht.
So erachte ich es für Europa schon beinahe als existenziell, die großen steuerpolitischen Fragen auch zum Gegenstand der Brexit-Verhandlungen zu machen!
Was sind die 50 oder 80 Milliarden, die die EU als ausstehende Kostenanteile Großbritannien in Rechnung stellen will, angesichts des Schadens, der uns durch einen ruinösen Wettbewerb um die niedrigsten Steuern und die verborgendsten Gestaltungsräume droht, wie er von Großbritannien selbst und seinen Steueroasen ausgehen wird. Ich denke, es braucht nicht allzu viel Phantasie, um hier schlimmste Entwicklungen vorherzusehen.
Um einen solchen Frontalangriff auf die Finanzen der europäischen Staaten zu vermeiden, müssten klare Regeln vereinbart werden über die künftigen Spielräume in diesen Fragen. Genauso – ich wiederhole mich – über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer; und zwar einer, die den Hochfrequenzhandel zur Kasse bitten und sein Ausmaß auch etwas einschränken soll. Nichts anderes.
Aber diese Fragen spielen in den Brexit-Verhandlungen offenbar nicht die geringste Rolle!
Im ARD-Interview habe ich von einem Hase-und-Igel-Rennen gesprochen, das zwischen der Beratungsindustrie und der Steuerverwaltung ablaufe, und auch davon, dass von einer Waffengleichheit zwischen beiden Seiten nicht die Rede sein könne. Zum einen, weil die Möglichkeiten des Verbergens in der Welt der Trusts und Steueroasen viel zu groß sind, zum anderen, weil die Beratungsindustrie, selbst wenn die Verwaltung ihr auf die Schliche kommt, mit einer Armada hochbezahlter Spezialisten zu Gange ist, und nicht zuletzt, weil unsere eigenen personellen Möglichkeiten angesichts der Personalnot in den Finanzämtern viel zu beschränkt sind.
Es tut immer wieder gut, Finanzminister Dr. Söder in öffentlichen Reden zu erleben, wenn er dieses Ungleichgewicht zum Anlass nimmt, seine Hochachtung für seine Leute zum Ausdruck zu bringen. Nicht minder wichtig wäre es aber, wenn bei der Personalausstattung der Steuerverwaltung endlich etwas voran ginge. Denn – die bfg hat dies zuletzt mehrmals im Detail ausgeführt – trotz aller politischen Bemühungen der letzten Jahre, sind wir gerade so in der Lage die Personalabgänge auszugleichen, konnten den Personalstand gegenüber dem Stand, der Anlass heftigster Kritik durch den Obersten Rechnungshof war, nur wenig verbessern. Und geht es nach dem Entwurf der Staatsregierung für den Nachtragshaushalt, so wird sich daran nichts ändern: er sieht für die Finanzämter trotz erheblicher neuer Aufgaben und ständig steigender Fallzahlen keine zusätzlichen Stellen vor!
Ich meine, der Landtag sollte hieran dringend noch etwas ändern!