Gerhard Wipijewski im Video zum BBB-Delegiertentag
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Müde, erschöpft und grantig

Seite 3 April 2021

Der Ostermontag war heuer ein guter Tag, die Seite Drei zu schreiben. – Denn sind nicht die meisten von uns derzeit unterwegs wie die biblischen Emmaus-Jünger vor 2.000 Jahren: müde und erschöpft, mutlos und niedergeschlagen? Und selbst das Wort „unterwegs“ wirkt dabei auf manche wohl wie ein nur schwer zu ertragender Euphemismus …

Nach 13 Monaten Pandemie kommen viele von uns wie auf dem Zahnfleisch daher, weil uns die Arbeit mehr denn je zu schaffen macht, gleich ob unter den oft schwierigen Bedingungen des Pandemie-Homeoffice oder im weitgehend kontaktlosen Büro. Die Belastungen sind enorm!

Die Ratlosigkeit der Emmaus-Jünger nach dem Tod Jesu scheint dabei aber sogar noch weniger ein Bild für uns Einzelne als für das ganze Land. Wir sind entsetzt, welch ratlosen Eindruck die Politik seit Monaten erweckt. Wollte man nicht schon im Falle einer zweiten Welle differenziertere Maßnahmen ergreifen, als dem Land einen erneuten „Lockdown“ zu verordnen? Hängt diese Ratlosigkeit nach 13 Monaten der Pandemie nicht ein Stück weit damit zusammen, dass der Rat auch nicht gesucht wird? Was ist mit dem Input für die Regierenden durch die Parlamente, durch Verbände, Arbeitgeber, Gewerkschaften und Verwaltungen in unserem eigentlich doch pluralistischen System? Aber das würde ja auch Führung verlangen und Entscheidung! Der Fall der beschlossenen und wieder einkassierten „Osterruhe“ ist doch beispielhaft! – Mit etwas gesundem Menschenverstand wäre dieser Beschluss doch nie gefasst worden! Und passt das nicht zu gut zu dem verheerenden Bild, das einige in Berlin seit mehr als einem Jahr abgeben: keine Ahnung zu haben von der Wirtschaft, aber auch keine Ahnung vom Leben?

Was anfangs irgendwie nachvollziehbar war, weil eine neue Krankheit, ein Ausnahmezustand und Katastrophenfall schnelle Entscheidungen und kurze Entscheidungswege erforderten, ist es doch längst nicht mehr! 13 Monate sind ins Land gegangen, so viele, wie zwischen den DDR-Flüchtlingen in der Prager Botschaft und der Wiedervereinigung! Hätte man damals so agiert, die russischen Panzer ständen heute immer noch kurz hinter Hof und Zwiesel!

Längst hätte die Politik im Land wieder in einen Modus schalten können und müssen, der der Ratlosigkeit ein Ende macht, der als Ratgeber nicht mehr nur einige wenige Professoren zulässt, so wichtig die in diesen Zeiten auch sind. Einen Modus, in dem die Zeit wieder zur Beratschlagung und Entscheidung genutzt wird, anstatt zu täglichen medialen Pirouetten! Denn die Lage ist natürlich ernst, geradezu „tierisch ernst“, um einen der Hauptakteure persönlich zu adressieren!

Das Gleiche gilt für die Ebene der Verwaltungen. Längst wäre es an der Zeit, auch bei Maßnahmen, die durch die Pandemie veranlasst sind, die Personalvertretungen wieder in bewährter Weise mit ins Boot zu holen. Dies wäre dem bestmöglichen Ergebnis, aber auch einer möglichst breiten Akzeptanz nicht abträglich. Was ist möglich und was ist sinnvoll, das gilt es aktuell auch bei der Frage der Selbsttests zu klären. Vor Ort. Diesen Entscheidungsspielraum gilt es auch anzunehmen!

Gegen was ich mich entschieden verwahre, ist eine Tendenz die Schuld für das Corona-Schlammassel bei „der Verwaltung“ zu suchen! – Keine Verwaltung funktioniert ohne politische Beschlüsse; das umso mehr, wenn Defizite in einzelnen Bereichen seit Jahren erkennbar waren!

Welche Kreise die Maskenaffäre zieht, konnte ich bei meiner letzten Seite Drei noch nicht erahnen, als ich das Thema ganz frisch aufgegriffen habe; auch nicht, dass Alfred Sauter zur Schlüsselfigur werden würde. Aber es ist ein schöner Zufall, dass wir lange geplant hatten, in dieser Ausgabe das Finanzamt München zu thematisieren. Denn „Der Pate aus Schwaben“ (F.A.S. vom 28.3.2021) und „Anwalt in eigener Sache“ (DIEZEIT vom 25.3.2021) hatte sich vor Jahren massiv darum bemüht, die Neubebauung der Deroystraße zu verhindern und stattdessen die Anmietung von entsprechenden Büroflächen zu erreichen. Warum? Keine Ahnung, was einen Abgeordneten aus Günzburg veranlasst, sich für die Unterbringung des Finanzamts München zu interessieren, oder? – Nein, schon damals wusste jeder politisch Interessierte, dass Alfred Sauter bei Immobiliendeals vielfach eine Rolle spielte und sein Wort vom Abgeordneten im Nebenberuf (Sauter über Sauter) zwar womöglich scherzhaft gemeint war, die Sache aber sehr gut traf. Und der Verkauf von staatlichen „Filetstücken“ in der Innenstadt sowie die Anmietung großer Büroflächen wären für die Immobilienbranche natürlich eine äußerst lukrative Sache gewesen …

Erst ein Machtwort des heutigen Ministerpräsidenten hat im Jahr 2012 dann die Neubaulösung für das Finanzamt München auf den Weg gebracht.