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Äs(ch)timieren

Seite 3 November 2020

Amerika hat einen neuen Präsidenten gewählt. Bei vielen Menschen – nicht nur in den USA – macht sich Erleichterung breit, dass Donald Trump abgewählt wurde und Ende Januar (hoffentlich) aus dem Amt scheiden wird und Joe Biden als 46. Präsident und Kamala Harris als erste weibliche Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika in ihren Ämtern vereidigt werden können. Schwer fällt uns allerdings ein Abschied, der bereits acht Wochen vorher stattfinden wird. Ende des Monats November scheidet Dr. Roland Jüptner, der Präsident des Bayerischen Landesamts für Steuern, aus dem aktiven Dienst.

Zu den Aufgaben des scheidenden Präsidenten Dr. Roland Jüptner gehörte es unter vielem anderen, im Rahmen von Feierstunden neue Amtsleiterinnen und Amtsleiter an ihren neuen Dienststellen einzuführen und die bisherigen zu verabschieden. Bei diesen Gelegenheiten vergaß Jüptner nie, auch die anwesenden Beschäftigten anzusprechen. Er verwendete dabei immer wieder das Verb „ästimieren“, gern auch „äschtimieren“ unter Bezug auf seine allgäuer Herkunft. Es ist keine Schande, dieses veraltende Wort nicht gleich auf Anhieb zu kennen. Denn aus seinen Ausführungen wurde sehr schnell deutlich, um was es dem Präsidenten dabei geht: Ästimieren bedeutet wertschätzen, jemanden als Persönlichkeit schätzen, ihr beziehungsweise ihm Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen, jemandes Leistungen entsprechend würdigen. Besonders wurde dies beim Aufbau des Landesamts für Steuern und der Zusammenführung der früheren OFD-Bezirke München und Nürnberg deutlich. Jüptner war es wichtig, die Kolleginnen und Kollegen mitzunehmen. Er schaffte es, Nord und Süd in diesem neuen Landesamt zu vereinen, ohne dass es Verliererinnen und Verlierer gab.
Die Bezirkspersonalräte in München und Nürnberg haben Präsident Dr. Roland Jüptner über viele Jahre als partnerschaftlichen Chef an ihrer Seite gehabt. Zwischen Personalrat und Dienststelle gibt es immer wieder Differenzen. Das gehört dazu. Das tat der durchwegs vertrauensvollen Zusammenarbeit aber keinen Abbruch. Die Zusammenarbeit war immer von dem gemeinsamen Ziel geprägt, das beste Ergebnis auf den Weg zu bringen. Die Beteiligung der Personalratsgremien war dabei kein formelles Gebot, sondern ein echtes Miteinander auf Augenhöhe. Dass diese Zusammenarbeit in der Zwischenzeit gelebte Wirklichkeit in unserer Verwaltung ist, gehört auch zu den Verdiensten von Roland Jüptner. „Kaum hatte er 1998 das Präsidentenamt bei der damaligen Oberfinanzdirektion München angetreten, machte er sich auf, jedem Finanzamt einen Besuch abzustatten. Dabei ging es ihm weniger um Höflichkeitsbesuche, vielmehr führte er eingehende Gespräche mit Amtsleitung und Personalrat – und zwar getrennt voneinander. Er hat sich seitenweise Notizen gemacht. So nahm die Modernisierung ihren Anfang. Alte Zöpfe wurden abgeschnitten, ein geradezu gründerzeitliches Hierarchiegehabe abgeschafft. Eine moderne Zeit konnte beginnen…“, so schildert ein damaliger Personalrat beim Finanzamt Memmingen namens Gerhard Wipijewski seine erste Begegnung mit dem seinerzeitigen Finanzpräsidenten.
Auch gegen Ende seiner Amtszeit scheute Jüptner nicht davor zurück, neue Wege zu gehen. So ist es auch seinem entschlossenen Handeln zu verdanken, dass es gelang, in der Steuerverwaltung in breitem Umfang Homeoffice zu etablieren und damit die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass unsere Verwaltung bisher so gut durch die Corona-Pandemie gekommen ist.
Dr. Roland Jüptner hat sich im wahrsten Sinne des Wortes verdient gemacht um die Steuerverwaltung und ihre Beschäftigten. Der Landesvorstand der bfg hat deshalb auch beschlossen, Dr. Jüptner, der übrigens auch bfg-Mitglied ist, mit der Angelo-Kramel-Medaille auszuzeichnen. Mit dieser Medaille, die nach dem ersten Vorsitzenden der bfg benannt ist, zeichnet die bfg Personen aus, die sich außerhalb der bfg um die Belange der Beschäftigten im Sinne der bfg verdient gemacht haben.
Ja – wir lassen ihn ungern gehen unseren Präsidenten, aber auch den Menschen Roland Jüptner, mit dem man auch eingehend darüber fachsimpeln konnte, welche Version des Deep Purple Klassikers „Child in time“ die beste ist.
Jimi Hendrix sagte einmal: „Wissen spricht, aber Weisheit hört zu!“ Roland Jüptner hat zugehört, hineingehört und wertgeschätzt. Er hat konsequent gehandelt und dabei seine Persönlichkeit und seine Überzeugungen eingebracht. Lieber Herr Dr. Jüptner, genau so soll es sein. Wir danken Ihnen und wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft.
Wir freuen uns aber auch auf die Zusammenarbeit mit seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin, der oder die zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Ausgabe der bfg-Zeitung noch nicht endgültig feststand.
Auch wenn Dr. Roland Jüptner ein gut bestelltes Haus übergibt, so sind die Herausforderungen doch groß. Es wird darum gehen, die Steuerverwaltung weiterhin gut durch die Corona-Pandemie zu führen. Aber auch darum, Wohnraumarbeit in Zukunft stärker zu nutzen. Die Grundsteuerreform steht als Mammutaufgabe an, die Fallzahlen steigen weiter … das alles bei weiterhin äußerst angespannter Personalsituation. Eine gute, umsichtige und ästimierende Führung wird also auch in Zukunft sehr wichtig sein.