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Dialog auf Augenhöhe

Parlamentarischer Abend der bfg-Landesleitung mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag

Zum ersten Mal in der laufenden 19. Legislaturperiode konnte die Landesleitung der Bayerischen Finanzgewerkschaft Vertreterinnen und Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu einem Parlamentarischen Abend in der Landesgeschäftsstelle der bfg in München begrüßen. Der Austausch fand in offener und konstruktiver Atmosphäre statt – und entwickelte sich rasch zu einem intensiven und sachlich fundierten Gespräch über die Situation der bayerischen Finanzverwaltung, die Zukunft des öffentlichen Dienstes und die Rolle eines handlungsfähigen Staates in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft.

bfg-Landesvorsitzender Gerhard Wipijewski eröffnete den Abend mit einer ebenso herzlichen wie pointierten Begrüßung. Es sei erfreulich, so Wipijewski, dass dieses Format nun auch mit der Grünen-Fraktion realisiert werden konnte – gerade weil mit den anwesenden Abgeordneten Persönlichkeiten vertreten seien, die Verantwortung in zentralen Bereichen tragen: Ludwig Hartmann, MdL und Vizepräsident des Bayerischen Landtags, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johannes Becher, die haushaltspolitische Sprecherin Claudia Köhler, die Sprecherin für Frauen, Jugend und den öffentlichen Dienst Julia Post, sowie Christoph Hau, parlamentarischer Berater für Haushalt und Finanzen. Unterstützt wurde die Delegation zudem von Viktoria Carzavec, Mitarbeiterin im Abgeordnetenbüro von Julia Post.

Im Anschluss würdigte Wipijewski die langjährige, teils kritische, aber stets konstruktive Rolle der Grünen im Bayerischen Landtag – insbesondere mit Blick auf Fragen der Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und öffentlicher Verantwortung. Abgeordnete wie Ruth Paulig, Emma Kellner, Raimund Kamm, Adi Sprinkart, Thomas Mütze und Eike Hallitzky in Bayern oder Christine Scheel, Claudia Roth und Fritz Kuhn auf Bundesebene seien es gewesen, die durch konsequente parlamentarische Arbeit wichtige Impulse für eine sozialere Steuer- und Finanzpolitik und eine stärkere Kontrolle der Staatsausgaben gesetzt hätten. Die bfg, so betonte Wipijewski, habe diese parlamentarische Arbeit über viele Jahre hinweg mit Respekt und Aufmerksamkeit verfolgt – nicht zuletzt, weil es gerade in Zeiten politischen Rückenwinds für neoliberale Konzepte oft die Grünen gewesen seien, die den öffentlichen Dienst und eine faire Steuerpolitik verteidigt hätten.

Absage an Bürgerversicherung

Gleichzeitig sparte der bfg-Vorsitzende nicht mit klaren Worten zu inhaltlichen Differenzen: So verwies er auf die teils unterschiedlichen Auffassungen in der Frage des Berufsbeamtentums und der eigenständigen Beamtenversorgung – zwei Prinzipien, die für die Funktionsfähigkeit und Stabilität des öffentlichen Dienstes von zentraler Bedeutung seien. Eine Öffnung hin zur sogenannten Bürgerversicherung lehne die bfg weiterhin entschieden ab, so Wipijewski
Besonders deutlich wurde in der Eröffnung auch ein anderer Punkt: Die Rolle der Opposition im parlamentarischen System. Gerade für eine Berufsgruppe wie die der Beschäftigten in der Finanzverwaltung, die in der öffentlichen Wahrnehmung oft marginalisiert und in den Medien höchstens bei spektakulären Fällen wahrgenommen wird, sei die kritische Begleitung durch Oppositionsfraktionen im Landtag von besonderer Bedeutung. Wer sonst solle den Finger in die Wunde legen, wenn es um Unterbesetzung, strukturelle Überlastung oder politische Versäumnisse gehe? Die Realität sei, so Wipijewski, dass es in Teilen der Bevölkerung eine erstaunliche Toleranz gegenüber millionenschweren Steuerhinterziehungen gebe – gleichzeitig aber großes Misstrauen gegenüber einer Finanzverwaltung, die angeblich „den kleinen Leuten“ das letzte bisschen vom Teller nehme. Diese verzerrte Wahrnehmung, so der Landesvorsitzende, sei nicht nur sachlich falsch, sondern Ausdruck eines gesellschaftlichen Klimas, in dem staatliche Institutionen zunehmend unter pauschalen Generalverdacht gestellt würden.

Unterausstattung dramatisch

Im Zentrum des Abends stand eine faktenbasierte Darstellung der aktuellen personellen Lage in der bayerischen Steuerverwaltung. Wipijewski erinnerte daran, dass bereits der Bayerische Oberste Rechnungshof im Jahr 2012 eindringlich auf die personelle Unterausstattung der Finanzämter hingewiesen hatte. Seither hat sich die Situation nicht verbessert – sie hat sich dramatisch verschärft. Während der Personalbedarf heute auf Grundlage realistischer Berechnungen bei rund 30.000 Vollzeitkräften liegt, sind nur gut 15.000 Stellen tatsächlich besetzt – ein strukturelles Defizit, das sich in allen Bereichen der Verwaltung niederschlägt.
Neben den personellen Kennzahlen wurde auch über strukturelle Fragen der Finanzierung gesprochen. In der Runde bestand weitgehende Einigkeit darüber, dass ein handlungsfähiger Staat auch den Mut zur Umverteilung braucht. Eine stärkere Besteuerung sehr großer Vermögen, eine Reform der Kapitalertragsteuer sowie Maßnahmen zur konsequenteren Erhebung bestehender Steueransprüche waren Themen, bei denen sich große Schnittmengen zwischen der bfg und den anwesenden Abgeordneten der Grünen zeigten. Die Botschaft war eindeutig: Mehr Steuergerechtigkeit braucht mehr Personal – und den politischen Willen, bestehende Spielräume endlich auszuschöpfen.

Gegen Ende seiner Begrüßung setzte Wipijewski darüber hinaus noch ein bewusst gesellschaftspolitisches Statement. Der Staat, so betonte er mit Nachdruck, sei die Grundlage für ein gerechtes Gemeinwesen. Die Angriffe, die Figuren wie Trump, Musk oder andere gegen staatliche Institutionen richteten, zeigten deutlich, dass es gerade den Einflussreichen und Reichen oft ein Dorn im Auge sei, wenn Institutionen wie die Steuerverwaltung funktionierten. „Uns – die Beschäftigten im öffentlichen Dienst – sehen sie als Hindernis. Und genau das sind wir: Wir sind das Rückgrat der Demokratie“, so Wipijewski wörtlich. Damit das auch in Zukunft so bleibt, braucht es ein klares Bekenntnis zum Berufsbeamtentum, zur eigenständigen Versorgung und zu einem starken öffentlichen Dienst – einem Dienst, der nicht dauerhaft am Limit operiert, sondern über die Mittel verfügt, seine Aufgaben souverän und verlässlich zu erfüllen.
Auch seitens der Grünen wurde dieser Austausch ausdrücklich begrüßt. Die Abgeordneten dankten der bfg stellvertretend für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bayerischen Finanzverwaltung für ihren Einsatz unter zunehmend schwierigen Bedingungen. Angesichts der personellen Entwicklung stünden die Beschäftigten vor großen Herausforderungen – und zwar auf Jahre hinaus. Besonders im Bereich der Digitalisierung komme der Verwaltung eine entscheidende Rolle zu. Die Grünen bescheinigten der bayerischen Steuerverwaltung hier, auf einem guten Weg zu sein – wie etwa das Beispiel ELSTER zeige. Gleichzeitig wurde deutlich gemacht, dass es in der digitalen Transformation mehr Mut brauche. Allzu oft entstehe der Eindruck, dass der Datenschutz als Vorwand diene, um notwendige Entwicklungen zu blockieren. Deutlich wurde auch: Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützt den öffentlichen Dienst nicht nur im Hinblick auf Digitalisierung und Personalfragen, sondern bekennt sich klar zur Stärkung demokratischer Institutionen – und damit auch zu einer leistungsfähigen, gesellschaftlich verankerten Steuerverwaltung.