Dieser Artikel ist älter als ein Jahr. Enthaltene Informationen, Regelungen oder Gesetze könnten sich in der Zwischenzeit geändert haben.

Ungleichheit und Steuergerechtigkeit

Bayerische Handlungsmöglichkeiten zur Bewältigung eines wachsenden Problems

Der Jesuitenpater Jörg Alt SJ ist ein deutscher Sozialwissenschaftler, Sozialethiker und Hochschulseelsorger, der durch seine sozialethischen Forschungsarbeiten und Publikationen sowie durch sein gesellschaftspolitisches Engagement in Kampagnen mit den Themenschwerpunkten Migration, Globalisierung und Armutsbekämpfung bekannt wurde. Sein derzeitiger Arbeitsschwerpunkt ist die Studie Tax Justice and Poverty, in der er Zusammenhänge zwischen Steuergerechtigkeit und Armut erforscht. Bei dieser Studie wurde er auch von dem stellvertretenden bfg-Landesvorsitzenden Christoph Werwein beraten. Diese Zusammenarbeit wurde nun mit einer Veranstaltung im Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus (cph) fortgesetzt. Unter der Leitung von Alt und Werwein ging es um die Frage, welche Handlungsmöglichkeiten Bayern beim Problem der wachsenden Ungleichheit der Vermögen und der Steuergerechtigkeit hat. Eingeladen waren mit den Landtagsabgeordneten Dr. Wolfgang Fackler (CSU) und Harald Güller (SPD) sowie dem Landesvorsitzenden der bayerischen Grünen, Eike Hallitzky, Politiker von Parteien, die sowohl im Landtag als auch im Bundestag vertreten sind. Moderiert wurde der Abend von Armin Jelenik, dem stellvertretenden Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten.

Dr. Alt SJ: „Es wächst das Gefühl, dass es in unserem Land nicht mehr gerecht zugeht.“

Zur Beurteilung der Entwicklung von Ungleichheit beleuchtete Dr. Alt in seinem Eingangsstatement drei Problemkomplexe zur Beurteilung der Entwicklung von Ungleichheit: die Entwicklung von Haushaltseinkommen und -vermögen, die Entwicklung der Haushaltsausgaben und die sinkende Umverteilung und soziale Mobilität.
Er führte aus, dass die Vermögensungleichheit in Deutschland zu den höchsten weltweit gehören und weiter zu nehme. Dazu komme, dass die Lebenshaltungskosten, vor allem Mieten, in den letzten Jahrzehnten kräftig gestiegen seien. Zunehmend gebe es Haushalte, die zwischen 30 und 40 % oder sogar mehr des Nettoeinkommens für Mieten ausgeben müssen. Nehme man preisbereinigte Einkommen als Maßstab, so gebe es Anzeichen, dass sich Menschen auch mit mehr Geld im Geldbeutel immer weniger leisten könnten.
„All das wäre nicht so schlimm, wenn zumindest die Einkommensungleichheit durch Umverteilung noch angemessen aufgefangen werden könnte. Oder wenn die Verheißung noch gelten würde, dass man es mit Bildung und Leistungsbereitschaft „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ bringen könne“, so Alt. Beide Entwicklungen wiesen laut OECD jedoch einen Abwärtstrend auf. Alt: „In welche Familie man geboren wird, wird zunehmend entscheidender für die Zukunft eines Kindes“.
Folge sei, dass am oberen Ende wachsende Vermögen viele Einflussmöglichkeiten auf Politikgestaltung jenseits demokratischer Regeln eröffneten. Am unteren Ende wachse das Gefühl, dass es in unserem Land nicht mehr gerecht zugehe. Eine Verbindung dieses Komplexes zu Sündenbockdenken und Populismus gelte inzwischen als empirisch gut belegt.Bei der Frage, wie dem wirkungsvoll begegnet werden müsse, würden Steuern, so der Jesuitenpater, eine große Rolle einnehmen, vor allem die Erbschaftsteuer oder steuerfinanzierte Zuschüsse, bessere öffentlich finanzierte Angebote, vor allem im Betreuungs- und Erziehungsbereich, und mehr sozialer Wohnungsbau. Bei der Steuerpolitik gelte es zwischen der rechtlichen und der Verwaltungs- und Vollzugsebene zu unterscheiden: „Letztere ist deshalb wichtig, weil die besten Gesetze nichts wert sind, wenn man sie nicht durchsetzen kann“, sagte Dr. Alt.

Christoph Werwein: „Wenn bis zu 25% des Personals fehlt, bleibt das nicht ohne Folgen.“

Der stv. bfg-Landesvorsitzende Christoph Werwein stellte in seinem Statement anknüpfend an Alt fest, dass Steuern grundsätzlich ein sehr geeignetes Instrument seien, um soziale Schieflagen abzumildern. Dafür müssten die, die viel haben, mehr geben, damit der Staat die stützen könne, die zu wenig hätten. Sei dies aber überhaupt noch möglich, „wenn gerade große Konzerne und Privatvermögen ihre internationalen Verflechtungen nutzen, um sich ihren Verpflichtungen legal, halblegal oder illegal zu entziehen? Wenn mit Abwanderung gedroht wird, um eine Verringerung der Steuerlast zu erreichen und damit ein Wettlauf nach unten in Gang gesetzt wird?“, so Werwein. Die anstehende Neuregelung der Grundsteuer sei eine perfekte Gelegenheit, die Allgemeinheit an der Steigerung von Vermögenswerten partizipieren zu lassen. Fest stehe für ihn aber, dass eine umfassende Neubewertung des Grundvermögens für die Steuerverwaltung personell aktuell nicht zu stemmen sei. „Ja, wir können uns eigentlich überhaupt kein System leisten, das Mehraufwand verursacht“, sagte der stellvertretende bfg-Vorsitzende. Zwar habe die Staatsregierung den Personalstand in den letzten Jahren um etwa 500 Vollzeitkräfte erhöht. Dennoch könnten trotz Rekordeinstellungszahlen gerade einmal die Altersabgänge ersetzt werden. Der Personalfehlbestand der vergangenen Jahre sei jedoch noch längst nicht geschlossen und wenn bis zu 25 % des Personals fehle, bleibe das nicht ohne Folgen. Dazu kämen nun die internationalen Verflechtungen, wie Panama- und Paradise-Papers eindrucksvoll belegen. Die Steuerbehörden stießen schnell an nationale Grenzen stoßen. Hier müsse die übergreifende Zusammenarbeit im Steuervollzug weiter verbessert werden. Dazu gehöre ein umfassender Datenaustausch genauso wie hochqualifiziertes und ausreichendes Fachpersonal. Einer bedarfsgerechten Personalaufstockung der Steuerverwaltung sei in der Vergangenheit gern mit dem Argument begegnet worden, dass die Personalkostenquote im Staatshaushalt nicht weiter steigen dürfe. Der Bayerische Oberste Rechnungshof habe dazu jedoch bereits 2012 angemerkt, dass „das Quatsch ist“. Jeder Finanzbeamte bringe statistisch viel mehr ein als er koste. Mit der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs sollte der Weg doch jetzt frei sein, um die Planstellen für die Steuerverwaltung deutlich anzuheben.

In der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen dann die Politiker zu den Statements und zu Fragen aus dem Publikum Stellung … lesen Sie den kompletten Artikel in der Mai-Ausgabe der bfg-Zeitung.