Der Wille zu Freiheit und Demokratie - Die Seite 3 im August/September 2023

Vom 10. bis 23. August 1948 tagte auf der Herreninsel im Chiemsee der sogenannte Verfassungskonvent. Elf Vertreter der damals in den Westzonen des besetzten Deutschlands gelegenen Länder und ein gutes Dutzend Sachverständige und Berater hatten von den Ministerpräsidenten den Auftrag erhalten eine Grundlage für den wenig später beginnenden Parlamentarischen Rat zu erarbeiten. Herausgekommen ist nach nur 13 Tagen ein Bericht, der unter anderem einen vollständigen Entwurf eines Grundgesetzes mit 149 Artikeln enthielt. Als Plenum diente dem Konvent das ehemalige Speisezimmer König Ludwigs II., das jetzt Teil der neu eingerichteten Dauerausstellung „Der Wille zu Freiheit und Demokratie“ ist.

An die damalige Leistung und ihre herausragende Bedeutung für die spätere Bundesrepublik Deutschland erinnerte am 10. August 2023 ein Festakt im Spiegelsaal des Neuen Schlosses auf Herrenchiemsee. Eingeladen hatten Landtagspräsidentin Aigner und Ministerpräsident Söder. Als Festredner war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gekommen.

Zu Beginn seiner Rede skizzierte der Bundespräsident die Biografien einiger der damaligen Hauptakteure. Er zeigte auf, wie sie auf unterschiedliche Weise von Diktatur, Krieg und Völkermord geprägt waren. Nicht alle von ihnen waren ohne Schuld, Verstrickung und Mitläufertum durch das Tausendjährige Reich gekommen. Aber sie hatten gelernt und verstanden, dass sich so etwas nicht mehr wiederholen darf. Ihnen gemein war der Wille zu Freiheit und Demokratie! Sie waren sich einig, dass nach den ungeheuren Verbrechen der vorausgegangenen Jahre nie mehr ein Staatswesen so missbraucht werden dürfe. „Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen,“ lautete daher ihr erster Artikel. Die Menschenwürde musste im Zentrum der Verfassung stehen!

Dieses Bewusstsein scheint mir heute nicht mehr ausreichend verbreitet! Anders kann ich es mir nicht erklären, dass Extremisten und Verfassungsfeinde seit Jahren Applaus und Zulauf bekommen, obwohl sie unsere parlamentarische Demokratie und deren Institutionen verunglimpfen und verächtlich machen.
Dabei müssen wir uns im Klaren darüber sein, dass eine Schwäche der freiheitlichen Demokratie darin besteht, wie einfach sie von ihren Feinden missbraucht werden kann. Wir erleben das seit Jahren in Polen und Ungarn, aktuell auch in Israel. Überall dort hatten die Verfassungsfeinde „eigentlich“ keine Mehrheiten für die Einschränkung der demokratischen Errungenschaften wie die Unabhängigkeit der Justiz oder die Freiheit der Medien. Aber wo das geschieht, ist es um die Freiheit und Gleichheit der Menschen im Land sehr schnell auch nicht mehr gut bestellt. Ich teile deshalb die Haltung des Bundespräsidenten, wenn er sagt: „Eine Demokratie muss wehrhaft sein gegenüber ihren Feinden. Niemals wieder sollen demokratische Freiheitsrechte missbraucht werden, um Freiheit und Demokratie abzuschaffen.“ Das ist eine Aufforderung an uns alle!

Ich sehe aber auch eine Aufforderung an die politischen Akteure, Sorgen und Stimmungen in der Bevölkerung ernst zu nehmen. Wenn man sich selbst nicht für unfehlbar und die eigenen Ideen nicht für einzig seligmachend hält, denke ich, dass das auch gelingen kann. Den Menschen vermitteln, dass Demokratie mehr ist als wählen zu gehen, dass Demokratie ein fortwährender pluralistischer Wettbewerb der Ideen ist. Erklären, Alternativen aufzeigen, Konzepte verbessern und damit in der Bevölkerung Akzeptanz schaffen. Das alles kann man in einem freien parlamentarischen System erreichen, ohne dass man dem Volk gleich nach dem Mund reden muss…

In dieser Hinsicht läuft in Deutschland sicherlich nicht alles optimal. Daraus ist der Eindruck entstanden, dass „die“ „das“ nicht hinbekommen. Besorgniserregend ist, dass sich die Unzufriedenheit viel zu vieler Menschen im Land längst zu Zweifeln am Staat selbst fortentwickelt hat. Die jährliche Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag des dbb hat hierzu gerade erschreckende Ergebnisse präsentiert.
Deshalb wäre es fatal, einfach immer weiter Gesetze zu produzieren nach dem Motto: irgendjemand wird sie schon vollziehen. Denn dazu fehlt es an Vielem, aber längst auch am Personal. Obwohl wir in dieser Entwicklung erst am Anfang stehen, spüren sie die Menschen bereits! Auch hier werden die Extremisten nichts zur Lösung beitragen. Aber sie werden profitieren, falls kein Kurswechsel erfolgt!
Anders als etwa in den USA haben wir in Deutschland die Wahl innerhalb eines breiten demokratischen Parteienspektrums. Diese Möglichkeiten müssen genutzt werden! „Aus Protest“ eine absurde Wahlentscheidung zu treffen, können wir uns nicht mehr leisten! In Deutschland nicht und auch in Bayern nicht!
Am 8. Oktober ist Landtagswahl. Machen Sie von Ihrem Wahlrecht Gebrauch!