Mit großer Sorge - Die Seite 3 im April 2023

Auch die dritte Verhandlungsrunde zum Tarifvertrag für die Beschäftigten von Bund und Kommunen (TVöD) ist am 30. März nach drei Tagen zähen Ringens in Potsdam ohne Ergebnis zu Ende gegangen. ver.di und DBB Beamtenbund und Tarifunion erklärten die Verhandlungen daraufhin für gescheitert. Die Arbeitgeberseite um Bundesinnenministerin Nancy Facer hat daraufhin die „Schlichtung“ angerufen.

Hinter diesem Begriff verbirgt sich ein zwischen den beteiligten Tarifparteien vereinbartes Verfahren, das nach erfolglosen Tarifverhandlungen möglichst umfangreiche Streiks und Aussperrungen verhindern soll. Im besten Fall präsentieren die beiden „Schlichter“, der ehemalige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt für die Arbeitgeberseite und der ehemalige Bremer Staatsrat Hans-Henning Lühr für die Gewerkschaften, bis Mitte/Ende April eine einvernehmliche Einigungsempfehlung. Der Weg dahin ist freilich weit. Denn zwischen den Forderungen der Gewerkschaften und dem, was die Arbeitgeberseite zuletzt an „Denkmodellen“ vorgestellt hat, liegen Welten!

Vor diesem Hintergrund zeigt sich auch der DBB-Tarifvorsitzende Volker Geyer, der die DBB-Delegation in der 24-köpfigen Schlichtungskommission anführen wird, skeptisch. „Ich traue beiden Schlichtern einiges zu, aber hexen können auch sie nicht. Die beiden wesentlichen Fragen müssen beantwortet werden: Wie wird der effektive Ausgleich der inflationsbedingten Belastungen der Beschäftigten sichergestellt und wie wird die Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Dienstes gewährleistet und mit qualifiziertem Personal organisiert?“

Das sind die Sorgen und Nöte, die nicht nur die Beschäftigten von Bund und Kommunen umtreiben! Dazu kommt erneut das Entsetzen darüber, wie gering die Arbeitgeber unsere Leistungen während der Pandemie schätzen.

Wie soll „Otto-Normalverdiener“, wie sollen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, gleich ob Arbeitnehmer oder Beamte, angesichts einer aktuellen Inflationsrate von 7,4 Prozent über die Runden kommen, nachdem bereits in den beiden Vorjahren bei Inflationsraten von 7,9 Prozent (2022) und 3,1 Prozent (2021) reale Einkommensverluste eingetreten waren?

Wie soll es für den Durchschnittsbürger weitergehen, angesichts des Wertverfalls seines Ersparten, angesichts horrender Mietpreisentwicklungen oder auch der gewaltigen Belastungen, die mit den Vorhaben der Bundesregierung zur Gebäudeenergie am Horizont erscheinen? Wir reden von Menschen, die sich ihre Wohnung oder ihr Häuschen vom Mund abgespart haben – etwas, das man sich in Berlin wohl kaum vorstellen kann!

Mit großer Sorge sehe ich überhaupt die Ideologisierung, die in der Bundespolitik und unserer Gesellschaft zunehmend Einzug hält! Als – ich befürchte: vorläufigen – Höhepunkt sehe ich die Änderung des Bundeswahlgesetzes an. Nicht nur, dass das, was hier geschehen soll, die Vertretung bayerischer Interessen in Berlin schwächen wird, es geht hier nun wahrlich ums Prinzip! Auf welche schiefe Ebene begeben wir uns, wenn eine politische Mehrheit durch eine solche Maßnahme im Alleingang die Wahlaussichten der Opposition schwächt! Die USA und ihre verlotterte politische Kultur lassen grüßen! Als parteiloser Gewerkschafter, der die Interessen der Beschäftigten und dieses Landes im Blick hat, bin ich entsetzt von diesen Entwicklungen. Aber zurück zu den Tarifverhandlungen um den TVöD.

Das Verhalten der Kommunen halte ich seit Jahren für „merkwürdig“. Zwischen den Tarifrunden wird geklagt, dass man kein Personal bekommt, in der Tarifrunde dann steht man brachial auf der Bremse. Das verstehe, wer will. Und in den Ländern ist auch nur das Klagen noch nicht so ausgeprägt. Aber der Personalmangel wächst immer mehr, obwohl man seit Jahren jeden einstellt, dessen man habhaft werden kann.
Unsere Personalnot in der Finanzverwaltung wächst dabei auch deshalb, weil es neben den steuerberatenden Berufen, der Industrie und anderen Verwaltungen vor allem die Kommunen sind, die unsere Leute abwerben, oft genug mit schamlosen Versprechen – anstatt selbst auszubilden! Hier muss sich etwas ändern!

Das Innenministerium sollte es endlich als seine ureigenste Aufgabe betrachten, dafür zu sorgen, dass die Kommunen genügend eigenes Personal ausbilden, und sie dabei unterstützen! Denn durch die Kommunen ließen sich junge Leute doch sehr viel leichter für den öffentlichen Dienst gewinnen, können sie doch viel näher an den Schulabgängern werben und für ein ganzes Berufsleben Heimatnähe in Aussicht stellen. Ganz anders als die staatlichen Verwaltungen, die das große Handicap haben für ganz Bayern einstellen zu müssen! Dieses Pfund sollten die Kommunen endlich dafür nutzen, eigene Anwärter zu gewinnen, anstatt in anderen Verwaltungen zu räubern.