
Der schönste Beruf der Welt
Der bfg wird aus Politik und Verwaltung gerne der Vorwurf gemacht, nicht positiv genug über die Arbeit in der Finanzverwaltung zu berichten. Wir sollten doch mehr Werbung machen für unseren Beruf und unsere Verwaltung!
Daran musste ich kürzlich denken, als ich bei der Landesdelegiertenversammlung des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands BLLV erlebte, wie dessen Präsidentin Simone Fleischmann vom Lehrerberuf als dem schönsten Beruf der Welt schwärmte.
So viel Euphorie, solch ein Überschwang! Da war sicherlich viel Überzeugung mit im Spiel für diesen Beruf, der nicht nur im besten Fall eine Berufung sein sollte. Womöglich aber war die Begeisterung ja auch ein wenig der von Staatsregierung und Landtag beschlossenen Anhebung der Lehrerbesoldung nach A 13 geschuldet – und damit der zweithöchsten Eingangsbezahlung von Grund- und Mittelschullehrern unter allen OECDLändern, wie Kultusminister Piazolo mitzuteilen wusste.
Und sehr wahrscheinlich hat auch der Ministerpräsident selbst vor Ort mit seinen noch sehr viel weitergehenden Versprechungen zur Euphorie beigetragen. Der Münchner Merkur schreibt dazu, der, nun ja, Ministerpräsident habe darauf hingewiesen, „dass mit einer Einführung von A13 für alle Lehrer eben auch die Träger von Leistungs- und Funktionsbesoldungen aufgewertet werden müssen.” Und weiter heißt es beim Merkur: „Von den Premium-Besoldungen „A13+” für Schulleiter und Superlehrer, die der Ministerpräsident ankündigte, sind immerhin 46 Prozent der Lehrkräfte an Grund- und Mittelschulen betroffen.”
Bei dieser beachtlichen Veranstaltung hat mich aber noch ein zweiter Satz gefesselt. Simone Fleischmann rief den Gästen aus der Politik zu, hier sei ein Saal voller Expertinnen und Experten für die Grund- und Mittelschule. – Warum mich dieser Satz so elektrisiert? Weil ich es als beneidenswert empfinde und im Privaten durchaus auch so erlebe, dass Grund- und Mittelschullehrer ihre Schulart und damit ihren Beruf überblicken. Wer dagegen wollte sich angesichts der Breite und Tiefe „unserer Welt” als Experte für die Finanzverwaltung bezeichnen?
Dass 60 Prozent der Steuerliteratur weltweit das deutsche Recht betreffen, spricht Bände – dazu dann der Versuch auch im Vollzug dem Einzelfall gerecht zu werden. Und wenn die Grundsteuer heute auch in aller Munde ist, gilt es doch festzustellen, dass die Bewertung der ihr zugrunde liegenden Einheiten eigentlich nur einen winzigen Teil unserer Aufgaben ausmacht…
Damit wird im Kontrast zu den beiden Zitaten das Problem unserer Verwaltung und unserer Arbeitswelt deutlich: sie ist eben gerade nicht mehr schön, sie ist kompliziert und unübersichtlich! Da sind die bloßen Fallzahlen, gleich ob in der Steuerverwaltung oder der Staatsfinanzverwaltung. In der Steuerverwaltung seit 2010 durchgängig ein Plus von 40 Prozent, im LfF binnen eines Jahrzehnts bei vielen wichtigen Aufgaben in vergleichbarer Höhe.
Da ist die IT, die mangels entsprechender Personalausstattung einen zentralen Platz einnimmt, aber angesichts der Komplexität des Steuerrechts allzu oft wenig nutzerfreundlich erscheint und die Beschäftigten durch viel zu häufige Ausfälle in die Verzweiflung treibt. Dazu das Ergebnis, dass die einfacheren Steuerfälle die IT erledigt, sich beim Menschen aber das Schwierige und Aufwändige konzentriert!
Wenn man nach bundeseinheitlichem Muster eine Personalbedarfsberechnung anstellt, ergäbe sich beispielweise ein Bedarf von 3.500 Betriebsprüfern, tatsächlich gibt es in den Finanzämtern etwa 2.000. Ähnlich verhält es sich in den anderen Bereichen! Die Folge ist eine extreme quantitative, vor allem aber qualitative Verdichtung der Arbeit!
Dazu das Steuerrecht! Die nummerischen Paragrafen des Einkommensteuergesetzes reichen inzwischen bis 126, mit den Buchstabenparagrafen sind es 230! Das Amtliche Handbuch dazu umfasst inzwischen über 2.500 Seiten! – Und das Umsatzsteuerhandbuch bringt es inzwischen auf über 2.000 Seiten, die AO auf über 2.300 und die Körperschaftsteuer auf über 1.000! Dazu die fortschreitende Internationalisierung der Unternehmen und die Versuche der EU dieser Rechnung zu tragen!
Der schönste Beruf der Welt? Wofür ich werben kann: Ausbildung, Studium und auch die Erfahrungen im Beruf qualifizieren einen für ganz viele verschiedene Aufgaben in der weiten Welt des öffentlichen Dienstes. – Und sie qualifizieren einen für eine weite Palette an Tätigkeiten außerhalb der Finanzverwaltung, bei denen man oft ein Vielfaches dessen verdienen kann, was der Freistaat Bayern für seine Finanzbeamten vorgesehen hat!
Diese Aspekte habe ich gerne hervorgehoben, als ich heute zum 50-jährigen Bestehen der HföD im kommenden Jahr interviewt worden bin.