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bfg-Fachtagung Nordbayern 2017 in Bayreuth

Arbeiten 4.0 - Wie sollen, wie wollen wir künftig arbeiten?

Wo bleibt der Mensch bei der Digitalisierung? Gibt es Gewinner und Verliererinnen bei der Digitalisierung? Wie werden die Mitbestimmungsrechte an den digitalen Wandel angepasst? Wie kann gute Arbeit für Frauen und Männer künftig aussehen? Diese Fragen arbeitete Bezirksvorsitzende Helene Wildfeuer zum Auftakt der Fachtagung für die nordbayerischen bfg-Orts- und Personalratsvorsitzenden heraus, die heute Vormittag in Bayreuth begonnen hat und unter dem Motto „Arbeiten 4.0: Wie sollen, wie wollen wir künftig arbeiten?“ steht.

Wildfeuer machte deutlich, dass die fortschreitende Automatisierung und Digitalisierung ein gesamtgesellschaftlicher Prozess ist, der auch nicht aufzuhalten ist. Die Arbeit werde aufgrund mobiler Technologien immer unabhängiger von Ort und Zeit erfolgen und es werde ein dynamischer Übergang von Arbeit und Freizeit ermöglicht. Die „Präsenzkultur“ löse sich auf. Die Entwicklung berge Chancen, aber auch erhebliche Gefahren und müsse deshalb von der bfg und ihren Personalrätinnen und Personalräten mitgestaltet werden. Als Risiken nannte sie die Entgrenzung der Arbeit, das Aufweichen von Arbeitsschutzregelungen oder Stressfolgeerkrankungen durch psychische und körperliche Zusatzbelastungen. Chancen seien insbesondere die räumliche und zeitliche Flexibilisierung der Arbeitsabläufe und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auswirkungen werden die Digitalisierung auch auf die Führungskultur haben. “Wie wollen Führungskräfte führen und wie wollen Beschäftigte geführt werden?” Es werde auch eine „Führungskultur 4.0“ brauchen, so die Bezirksvorsitzende und stimmte so auf die kommenden 2 Tage ein.

Landtagsvizepräsident MdL Peter Meyer von den Freien Wählern brachte in seinem Grußwort die Wertschätzung des Bayerischen Landtags gegenüber dem öffentlichen Dienst zum Ausdruck. „Wir sind sehr stolz auf Sie!“, sagte Meyer. Dies käme auch in dem einstimmigen Beschluss zur zeit- und inhaltsgleichen Übernahme des Tarifergebnisses auf die Beamtinnen und Beamten zum Ausdruck.
Der Freistaat Bayern stehe auch deshalb so gut da, weil er einen funktionierenden öffentlichen Dienst habe. Damit dies so bleibe, müsse sich der Freistaat bei der Nachwuchsgewinnung in Zukunft allerdings stärker engagieren. Es müsse insbesondere auf die Bedürfnisse der jungen Generation – „der Generation Y“ – eingegangen werden. Auch das Festhalten am bisherigen Versorgunssystemg und an dem Beihilfesystem trage zur Attraktivität des öffentlichen Dienstes bei. Die Bürgerversicherung sei für ihn eine „Milchmädchenrechnung“, da nicht nur Leistungszahler sondern auch Leistungsempfänger in die Rechnung mit einbezogen werden müssen.

Matthias Hollmann, Amtsleiter des FA Bayreuth, stellte in seinem Grußwort heraus, dass in der bayerischen Steuerverwaltung die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Personalräten täglich gelebt werde. Schließlich sei es nicht damit getan, “sich einmal im Monat im Monatsgespräch zusammenzusetzen und die Mitwirkungs- und Mitbestimmungstatbestände abzuarbeiten”. Vertrauen setze gegenseitiges Verständnis voraus und dies müsse wachsen. Das gegenseitige Vertrauen sei das Fundament und die Basis für erfolgreiches Arbeiten und auch für das Wohlbefinden der Beschäftigten.

Landesvorsitzender Gerhard Wipijewski stellte die gewerkschaftlichen Herausforderungen des Jahres 2017 in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. „Wir haben Jahr für Jahr Fallzahlensteigerungen zwischen 2% und 4 % und dieses Mehr an Steuerfällen muss mit gleichbleibendem Personal bewältigt werden.“ Dazu würden weitere Aufgaben, wie die Kontentrennungen oder das RMS kommen. Ohne zusätzliches Personal sei dies nicht zu bewältigen, so der Landesvorsitzende. Davon betroffen sei auch das sei auch Landesamt für Steuern, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf die IT. Die bfg könne sich auf die Fahnen schreiben, dass die Finanzämter, aufgrund der zusätzlichen neuen Stellen, nicht gegen die Wand gefahren sind. Ein Aufbau von Personal habe jedoch bisher noch nicht stattgefunden. Dies müsse aber das Ziel sein.
Beim kommenden Doppelhaushalt müsse auch etwas gegen den Abbau des Beförderungsstaus getan werden. „Außerhalb der Ballungsräume haben wir sehr große Probleme. Von leistungsgerechten Beförderungen kann hier nicht gesprochen werden“, so der Landesvorsitzende.
Wipijewski ging auch auf die Situation beim Landesamt für Finanzen ein. Denn auch dort sei eine gewaltige Zunahme der Fallzahlen und der Aufgaben zu verzeichnen. Jeder zusätzliche Lehrer und Polizist bedeute mehr Arbeit für das LfF. Die neuen und zusätzlichen Aufgaben müssen zwingend in den Nachtragshaushalt aufgenommen werden. “Konsequenzen im Stellenplan sind unumgänglich”, forderte der Landesvorsitzende.
Eine weitere Herausforderungen des Jahres 2017 seien auch die Diskussionen um die Bürgerversicherung. Durch eine solche Einheitsversicherung werde jedoch nichts besser. Mit der Hereinnahme der Beamtenschaft in die Krankenversicherung werde sich kein Qualitätssprung ergeben. Im Gegenteil: Durch eine Abschaffung der privaten Krankenversicherung verliere das Krankensystem 12 bis 14 Milliarden Euro jährlich, was sich auch auf die Qualität des Krankenversorgung auswirken werde. „Das dürfen wir nicht zulassen und werden wir dagegen ankämpfen“. Gleiches gelte für die Versorgung. „Die Probleme bei der Rente können nur durch gerechte Löhne und Bezahlung sowie eine Stärkung der betrieblichen Altersversorgungen gelöst werden“, so der Landesvorsitzende.

Die bayerische Steuerverwaltung ist schon jetzt die Verwaltung mit dem höchsten Grad an Automation in Deutschland, stellte Thomas Hollerith, Referatsleiter für Automation und Organisation im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, seinen Ausführungen voran. „Ohne IT-Unterstützung ist eine Steuerfestsetzung und Erhebung praktisch nicht mehr möglich“, sagte Hollerith. Die IT werde so zum kritischen Erfolgsfaktor. Dazu komme, dass die Verfahrenslandschaft immer umfangreicher werde. Der Datenaustausch mit Dritten sowie anderen Ländern nehme immer mehr zu. Die IT-Landschaft befinde sich derzeit im Umbruch. Die derzeitigen Probleme stünden in engem Zusammenhang mit der derzeitigen Koexistenzphase der alten und neuen IT-Verfahren. Die Verbesserung sei allerdings mit vollständiger Ablösung der Kernverfahren durch die neuen Konsens-Verfahren „in Sicht“, wenngleich die Probleme bis dahin sogar noch zunehmen können, so Hollerith. „Wir lassen Sie mit den Problemen aber nicht allein und wir setzen alles daran, die Fehler abzustellen und die Verfahren zu verbessern“, sicherte Hollerith den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu.
Der Automationschef im Finanzministerium nutzte die Tagung auch, um ausführlich über das KONSENS-Verfahren zu informieren. „Wir sind hier erfolgreich unterwegs und haben Vieles erreicht.“, so Holllerith. Beispielhaft nannte er, dass in 15 Bundesländern nun eine einheitliche Steuersoftware und in allen 16 Bundesländern ein einheitliches Dialogverfahren im Einsatz ist.
Hollerith sprach auch das “Reizthema” RMS an. „Wir schaffen es nicht mehr alle Fälle von vorn bis hinten durchzuarbeiten“. Ziel sei es, alle leichten bzw. digitalisierbaren Aufgaben zukünftig maschinell bearbeiten zu lassen, um Luft für die Bearbeiterinnen und Bearbeiter für die schweren Arbeiten zu bekommen. Wichtig sei dabei, dass der Mensch mitgenommen werde und weiterhin im Mittelpunkt stehe. Das RMS sei Mittel, um mit den vorhandenen begrenzten Ressourcen die vorhandene Arbeit bewältigen zu können und sei kein Ersatz des Menschen durch die Maschine. Der Mensch stehe beim RMS am Anfang und am Ende des Prozesses und der Mensch müsse im Bearbeitungsverlauf auch weiterhin „sein Hirn“ einschalten. Wichtig sei es auch, die Chancen der Digitalisierung, wie die Telearbeit, noch stärker zu nutzen.

Ein weiteres Schwerpunktthema des heutigen Nachmittags sind die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Beurteilungssystem und die Leistungskriterien. Dazu wird Carolin Kabs vom Bayerischen Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat in Vertretung von Personalreferatsleiter Dr. Leonhard Kathke referieren.

Zum Auftakt des morgigen Tages wird Bezirksvorsitzende Helene Wildfeuer die rund 100 bfg-Orts- und Personalratsvorsitzenden mit den neuesten Informationen aus Nordbayern versorgen.
Danach werden dann die Fragestellungen “Wie wollen und wie sollen wir zukünftig arbeiten?” im Mittelpunkt stehen. Die Impulse für die sicherlich intensive Diskussion werden der stv. Landesvorsitzende Christoph Werwein und der Chef des Landesamts für Steuern, Dr. Roland Jüptner, mit ihren Referaten liefern. Am Nachmittag steht dann die “Generation Y” im Fokus und insbesondere die Frage, wie die jungen Kolleginnen und Kollegen für ein Engagement in der Gewerkschaft gewonnen werden können. Dazu konnte Psychologe Ingo Leven, einer der Mitverfasser der Shell-Jugend-Studie, gewonnen werden. Im Anschluss daran wird Bezirksjugendleiter David Dietz über die Arbeit der bfg-Jugend informieren.

Ein ausführlicher Bericht wird auch in der Juni-Ausgabe der bfg-Zeitung nachzulesen sein.