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Zeitenwende?

"Seite 3" April 2016

Was am 3. April durch die zeitgleichen Veröffentlichungen von mehr als hundert Zeitungen, Fernsehsendern und Online-Medien in 76 Ländern der Welt begann, könnte eine Zeitenwende gegen Steuerhinterziehung in aller Welt bedeuten. So jedenfalls eine weit verbreitete optimistische Sicht auf die „Panama Papers“. Denn Politik und Öffentlichkeit rund um die Welt zeigen sich schockiert und diskutieren plötzlich über Steueroasen, Briefkastenfirmen und so etwas wie Moral bei all diesen Dingen. Ein Jahr zuvor hatte ein Unbekannter der Süddeutschen Zeitung Unterlagen des Offshore-Dienstleisters Mossack Fonseca aus Panama im Volumen von 2,6 Terabyte zugespielt. Diese Unterlagen betreffen rund 214.000 Briefkastenfirmen, die von der panamaischen Kanzlei vor allem in Panama und auf den Britischen Jungferninseln gegründet und betreut worden sind. Fast 5 Millionen E-Mails sowie mehrere Millionen Datenbank- und pdf-Dokumente gehören zum Fundus. Etwa 400 im internationalen Rechercheverbund ICIJ zusammenarbeitende Journalisten werteten die Daten und Dokumente seither aus und führten ergänzende Recherchen durch.

So sehr sich die Öffentlichkeit von den Dimensionen überrascht zeigt, die Beschäftigten der Steuerverwaltung sind es nicht. Die Bayerische Finanzgewerkschaft hat dann auch in einer Pressemitteilung darauf hingewiesen: „Es gibt viele Panamas!“
Die jetzt auf einen Vorstoß des Bayerischen Finanzministers Dr. Markus Söder kurzfristig von der Finanzministerkonferenz gefassten Beschlüsse zeugen von einer überraschenden Geschlossenheit. Es sind jedoch bis auf Weiteres nichts als Absichtserklärungen! Wer erinnert sich nicht an die Finanztransaktionssteuer und wie sich alle einig waren? Immobilienblase mit nachfolgender Bankenkrise, die europäische Finanzkrise – immer schien die Zeitenwende zum Greifen nah, und was ist geschehen? Mit der Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank werden stattdessen der Immobilienmarkt wie auch die Steueroasen aufgeblasen, der Verarmung weiter Teile der europäischen Bevölkerung Vorschub geleistet.
Oder die Zeitenwende durch den Automatischen Informationsaustausch über Kapitalerträge. Was hilft es, wenn sich inzwischen rund 100 Staaten beteiligen wollen, das Ganze faktisch aber nur für natürliche Personen des Ansässigkeitsstaates greift? Für Briefkästen und viele andere Konstrukte also nicht! Dass von der sogenannten „Weißgeldstrategie“ der Schweizer und anderer Banken nichts zu halten ist, mit der sie angeblich die neue Rechtslage vorbereiten wollten, war schon nach den Swiss-Leaks um die HSBC-Tochter zu ahnen. Jetzt wissen wir, dass sich unter den zehn Banken, die am stärksten in die Machenschaften um Mossack Fonseca verwickelt sind, allein 4 Schweizer Geldhäuser befinden. Aber auch die restlichen Banken dieser Top Ten sind allesamt in Europa ansässig!
Es kann dahingestellt bleiben, was Menschen zu solch unmoralischem, in der Regel illegalem Tun veranlasst. Unbestritten aber dürfte es schlicht die Möglichkeit dazu sein, die Gelegenheit, weil die „entwickelten“ Staaten es zugelassen haben – durch eine entsprechend laxe Gesetzgebung, zu wenig politischen Druck auf Steueroasen und – keine Frage – viel zu wenig Personal in den Steuerverwaltungen. Denn mit der Betriebsprüfung, unseren Fachprüfern für Auslandsbeziehungen und der Steufa bzw. SKS gibt es ja Instrumente, um im Vollzug wenigstens das Mögliche zu tun!
Als ich mich kürzlich zweimal mit Finanzpräsident Dr. Roland Jüptner zum „Interview“ über die Situation der Steuerverwaltung getroffen habe, haben wir uns lange über die EDV-Probleme der Finanzämter unterhalten. Dabei waren wir uns aber einig, dass trotz aller bestehenden Schwierigkeiten Beachtliches geleistet worden ist. Festmachen lässt sich das auch an den Fallzahlenentwicklungen der letzten Jahre. So haben Mensch und Maschine irgendwie Fallzahlensteigerungen von durchschnittlich mehr als 25% in 10 Jahren aufgefangen. Welche andere Verwaltung kann so etwas vorweisen? Freilich ist diese Rechnung aus der Not geboren und ging letztlich zulasten der Beschäftigten und der Qualität.
Es gibt jedoch Bereiche, in denen eine solche Rechnung überhaupt nicht aufgeht. Es sind die Außendienste und die Fahndung. Hier sind riesige Turnusse entstanden, die dafür sorgen, dass Betriebe von stattlicher Größe nur alle Generation einmal geprüft werden können.
Auch hier braucht es die Zeitenwende! Dringend.